Camorrista
Am Ende des Abendessens gibt der Wirt eine Runde hauseigener Schnäpse aus und kürzt die Rechnung um mindestens hundert Euro.
Am Tisch wundern sich alle und fragen ihn, ob er sich nicht geirrt hat. An diesem Punkt hat er das Bedürfnis, mich anzuschauen und zu erklären, dass die Hüter der öffentlichen Ordnung, besonders wenn sie so hübsch sind, in seinem Restaurant immer bevorzugt behandelt werden (Spanner und Idiot).
Maurizio begleitet mich zum Parkplatz und fragt mich, wieso.
»Wieso was?«
Wieso ich ihm nie gesagt habe, dass ich von der Polizei bin.
»Ich bin nicht von der Polizei. Ich arbeite bei der Polizei.«
Die Unterscheidung begeistert ihn kein bisschen.
»Hast du gedacht, unter meinen Freunden wären Terroristen oder welche vom Schwarzen Block?«
»Es hat nichts mit dir und deinen Freunden zu tun. Und können wir jetzt bitte das Thema wechseln?«
Es gelingt uns nicht. Wir gehen still unter den Resten des Bogens irgendeines Söldnerführers durch. Mir scheint, dass er nicht von Ruhm zeugt, sondern nur von der Grausamkeit der Fehden zwischen Mitmenschen, Nachbarn, Verwandten. Blut mit Blut vergolten.
»Wie lange bist du schon bei der Polizei?«
Das Wort Arbeit zu benutzen schafft er nicht.
»Seit dreieinhalb Jahren.«
Die gleiche Neuigkeit hatte Antonello dazu gebracht, sich vor meinen Augen vierundzwanzig Joints zu drehen und in einer Reihe auf den Tisch zu legen. Er hatte sich dazu herausgefordert gefühlt, und das Ganze wäre nichts weiter als dumm gewesen, wenn es nicht jemand mit seinem (nervigen) Talent zur Selbstironie inszeniert hätte.
Bei Maurizio ist eine Schranke runtergegangen.
Wir kommen bei meinem Auto an, und er fragt mich nach dem Scheibenwischer.
»Die üblichen Idioten«, erfinde ich.
Er bietet sich an, ihn zu reparieren, doch meine Handtasche wird von einem weißlichen Mondlicht erleuchtet. Sie kommt einem vor wie ein Schoß, der es nicht schafft, einen radioaktiven Embryo zu halten. Maurizio räuspert sich und geht ein paar Schritte weg.
Es ist fast eins, sagt die Uhr auf dem Display. Darunter leuchtet der Name »P. Jacopo« auf. Die glänzende Oberfläche der CD reflektiert ihn.
»Ja?«
Nicht einmal eine Frage, wo ich bin und ob er mich geweckt hat.
»Kommen Sie sofort.«
Ich höre die Schreie aus dem Inneren des Krankenwagens auch noch, als sie die Sirene einschalten. Das Erdgeschoss des Nordflügels ist vollständig erleuchtet, mit seinen schwachen Tropfenglühbirnen sieht es aus wie ein Friedhofsgang. Bevor es mir gelingt, irgendetwas zu erkennen, legt sich der Krankenwagen in die abschüssige Kurve und fährt haarscharf zwischen den Steinmäuerchen durch. Ich ziehe mir die Sandalen aus, um schneller laufen zu können, erreiche den Eingang und entdecke in dem großen Kreuzgang sofort Joséphine, die aus einer Gruppe von Leuten herausragt. Sie und Sandra, die älteste und erfahrenste Mitarbeiterin, versuchen das Gewirr schreiender, völlig durchgedrehter Leute in Schlafanzügen zu beruhigen. Einer der Freiwilligen, ein junger Typ, der Zivildienst macht, flitzt an mir vorbei, und ich schaffe es gerade noch, ihn an einem Arm festzuhalten und zu fragen, wo Padre Jacopo ist.
»Oben«, antwortet er mir.
Mit der Handtasche in der einen und den Sandalen in der anderen Hand komme ich beim Padre an. Er ist gerade dabei,
ein paar nigerianische Mädchen zu überreden, in ihre Zimmer zurückzugehen. Alles in Ordnung, es war nur ein Unfall. Eine von ihnen murmelt aber noch, bevor sie gehorcht, auf Italienisch, dass es nicht stimmt.
Der Padre rückt seine Brille zurecht, presst sein Gesicht zusammen und stößt einen zischenden Seufzer aus, der sich anhört, als würde Luft aus einem Reifen gelassen.
»Ich wusste es«, sagt er zu mir. Dann erspart er mir die Mühe, eine Frage nach der anderen zu stellen.
»Sie hatten sich in der Küche verabredet, um ein Problem zu regeln. Euer Freund Giovanni hat Vassiljs Kopf in einen Topf mit kochendem Wasser gedrückt. Vassilj hat nur durch ein Wunder überlebt.«
Padre Jacopo schüttelt den Kopf und kramt in seiner Tasche. Dann hält er mir den glänzenden Schlüssel mit dem roten Schildchen hin.
»Er ist in seinem Zimmer und wird von ein paar Mitarbeitern bewacht. Ich dachte, ich überlasse es besser Ihnen, Ihre Kollegen zu rufen. Hier kann er unter diesen Umständen nicht bleiben.«
Ich danke ihm. Padre Jacopo hat Geistesgegenwart und Umsicht bewiesen. Doch er macht keine große Sache daraus. Ich stelle abwechselnd
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