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Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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heißen?«
    »Das soll heißen, dass wir uns hier kümmern. Geh du nur, mach du mich nicht auch noch wütend.«
    Cocíss sieht aus wie eine Vogelscheuche, als Salvo ihn wieder auf die Beine stellt. Morano besieht ihn sich, als wollte er sich vergewissern, dass er sich allein aufrecht halten kann. Dann, mit einem wütenden Grunzen, packt er ihn an den Schultern, dreht ihn um sich selbst und schleudert ihn gegen den Schrank, dessen Tür zu Bruch geht. Bei der Anstrengung entfährt ihm ein schriller Furz.
    »Oh, pardon«, sagt er.
     
    Reja ist schnell dabei zu sagen, das hätte nicht sein müssen, man hätte die Situation besser kontrollieren sollen, dass es schließlich nur noch um einen Tag ging.
    »Vielleicht habe ich mich nicht klar ausgedrückt. Cocíss hat einen anderen Jungen aus dem Zentrum fast umgebracht. Verbrennungen zweiten Grades im Gesicht.«
    »Wo haben sie ihn jetzt hingebracht?«
    »Cocíss?«
    »Wen sonst?«

    »Aufs Revier.«
    Ich falte den Computerausdruck zusammen und verabschiede mich von Padre Jacopo. Er steigt gerade zusammen mit dem Zivi ins Auto. Sie fahren ins Krankenhaus. Vassilj wird seit einer halben Stunde operiert.
    »Was sagt der Padre?«
    »Er sagt, er will nichts mehr von Cocíss wissen.«
    »Hat er die Anzeige unterschrieben?«
    »Ja, ich habe sie hier.«
    »Welcher Name wird in der Anzeige genannt?«
    Ich setze mich ans Steuer und will fast die Anzeige wieder aus der Tasche holen, doch das ist ein dummer Reflex, das brauche ich nicht.
    »Giovanni Russo.«
    »Selbstverständlich. Gut.«
    Ich glaube, Reja gähnt. Auf jeden Fall ist die Antwort nicht nur selbstverständlich, sie scheint ihn auch zufriedenzustellen. Er sagt, er wird mit der Staatsanwaltschaft und mit D’Intrò reden, bevor sie die Festnahme bestätigen, und versichert mir, dass wir morgen in aller Frühe voneinander hören.
    »Und warum?«, frage ich ihn.
    Eine Sekunde später würde ich mir am liebsten auf die Zunge beißen. Ich darf solche Fragen nicht stellen. Doch Reja reagiert derart kurz angebunden, dass ich das Gefühl habe, dass er irgendwie, ich weiß nicht, warum, schon zu viel gesagt hat.
    Ich versuche etwas Positives an der ganzen Sache zu finden: Für ein paar Tage ist eine Zelle im Polizeirevier der einzige Ort, wo Cocíss keinen Mist anstellen kann und selbst keiner Gefahr ausgesetzt ist.
    (Er hat gesagt, er glaubt, es sind gefährliche Leute. Nie zuvor hier gesehen.)
     
    Es gibt etwas Schlimmeres als eine schlaflose Nacht, nämlich eine, die noch vor einem liegt, eine dunkle Nacht, die man allein
in der Küche zubringen muss, die roboterhafte Anzeige des Radioweckers vor Augen.
    Drei Uhr. Ich fülle die Espressomaschine zur Hälfte mit Malzkaffee und zur Hälfte mit richtigem Kaffee, ja, das ist besser. Der Gürtel drückt, nein, es sind die Jeans, die drücken, auch nicht, es ist mein Magen, der sich vor Anspannung aufbläht. Ein Kräutertee wäre besser, aber der hält mich nicht wach.
    Ich schiebe die Teller und die Krümel weg, um Platz für das Notebook zu schaffen. Ich fange an, flüssig und aus einem Guss zu schreiben, denke ich jedenfalls, aber es kommen lange, gewundene Sätze heraus. Gewalttätiges Verhalten, asozial und paranoid . Nichts dagegen zu sagen, der Psychologe hatte recht. Jetzt bin ich zu den gleichen Schlussfolgerungen gelangt. Ich zitiere die vom Leiter des Zentrums unterschriebene Anzeige zur Unterstützung meiner These: Die fragliche Person ist wieder in kriminelles Verhalten zurückgefallen, damit für ein Schutzprogramm nicht geeignet. Ich zitiere auch mich selbst, meinen vorigen Bericht, um zu unterstreichen, dass Cocíss im Übrigen keinen Prozess der Bewusstwerdung seiner kriminellen Vergangenheit durchlaufen haben kann. Dann wird mir klar, dass dies wie eine Kritik an der Staatsanwaltschaft oder auch an D’Intrò klingen könnte. Und das kann ich mir nicht erlauben. Denn im Grunde geht es doch immer um einzelne Personen. Cocíss will nur mit D’Intrò sprechen, D’Intrò betrachtet Cocíss als eine Art Fundgrube für seine Ermittlungen.
    Ich lösche alles. Die Espressokanne spuckt auf die sauberen Herdplatten, ich schaukle auf meinem Stuhl, um den Herd auszumachen, und fange dann an, im Archiv der Operation Antigone nach den Daten der Festnahme von Daniele Mastronero zu suchen, die kann ich dann in meinen Bericht einfügen. Ich scrolle mich durch die Liste, doch in der Mitte unterbreche ich, um mir den Kaffee einzugießen. Der Geruch verbreitet sich unter dem

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