Camorrista
Ich werde nicht noch einmal darauf hereinfallen, damit ihr das wisst. Ich habe bei dieser Geschichte nur Schaden davongetragen.«
»Ich bin auch deshalb hier. Haben Sie schon eine Ahnung, wie hoch der Schaden ist?«
Der Padre fährt herum und schreit mich an.
»Sehen Sie mir in die Augen. Reden Sie von dem Schrank, von der Tür? Als ob es darum ginge! Schauen Sie sich meinen Tisch an: Ich verbringe meine Tage mit Rechnungen und Kostenvoranschlägen! Aber mir geht es um die Menschen! Verstehen Sie den Unterschied?«
Ich versuche zu sagen, dass ich ihn verstehe und dass es mir leidtut, doch er unterbricht mich.
»Sie haben den Mut, mit Geld und diesen Tütchen zu mir zu kommen? Gehen Sie bitte.«
»Sie übertreiben.«
Egal, was ich sage, er wird immer wütender.
»Ich übertreibe? Und die Blutspuren an der Wand?«
»Was haben die damit zu tun?«
»Sagen Sie mir, was die damit zu tun haben. Sie wissen bestimmt mehr darüber als ich.«
Bin also wieder ich es, die den Dreck, den einer wie Morano hinterlässt, wegmachen muss. Pflichtgetreu verteidige ich den Kollegen.
»Er hat das Zimmer mit Händen und Füßen zertrümmert und sich dabei verletzt.«
»Gehen Sie.«
»Vorher sagen Sie mir bitte eine Zahl, Padre.«
»Ich will keinen Cent.«
»Entweder begleiche ich das sofort, oder es wird Ihnen nichts anerkannt.«
Er nimmt die Tütchen, macht den Reißverschluss auf und steckt sie in die Sporttasche.
»Raus aus meinem Büro. Sofort.«
Ich setze mich auf ein Mäuerchen direkt vor dem Haupteingang und sehe mir die Abtei an. Die Nachmittagssonne wirft warmes Licht auf die Steine. Spaccavento ist tatsächlich ein Ort der Überlebenden zwischen zwei Klauenschlägen des Dämons.
In den alten Ställen arbeiten sie mit Mörtel und Ziegelsteinen. Ich würde jetzt auch lieber so was tun wie echte Scheiße schippen, die wirklich richtig stinkt, als immer im übertragenen Sinne in einer Scheiße zu sitzen, die nicht riecht und bei der man erst dann merkt, dass man drinsteckt, wenn sie einem bis zum Hals steht.
Außerdem hätte ich so gern eine halbe Stunde, um mich hier auszustrecken, mit der Sonne im Gesicht.
Ich schließe die Augen, und ich fühle mich so schwer wie die Tasche von Cocíss, die ich zum Auto und dann ins Revier tragen muss. Ich muss sie getrennt auf die Reise schicken, sonst merkt er, was los ist. Ich möchte nicht dabei sein, wenn ihm aufgeht, dass sie ihn nicht zu D’Intrò bringen.
Ich möchte nicht dabei sein, und ich werde nicht dabei sein (manchmal werden Wünsche wahr). Ich muss die Augen wieder öffnen, aufstehen und den Rest des Tages in Angriff nehmen, die letzten Stunden mit unserem Schutzbefohlenen. Reja hat mich schon im Voraus davon in Kenntnis gesetzt, dass seine Bewertung meiner Arbeit positiv sein wird, trotz allem.
Plötzlich habe ich keine Sonne mehr im Gesicht. Ein Schatten fällt auf mich.
Ich springe auf: Joséphine steht vor mir, gekleidet wie üblich in ihren rosa Trainingsanzug, bauchfrei. Sie ist nicht geschminkt, ihre olivbraune Haut ist mit kleinen dunklen Pickeln gesprenkelt, und das Tageslicht hebt den großen violetten Fleck hervor, den sie unter dem Ohr hat: alles Nachwirkungen unkontrollierter Hormonbehandlungen, die sie selbst gemacht hat, wie sie mir neulich erzählte. Von ihrem kräftigen Hals fallen ihr zwei Halsketten aus Quarzsteinen und Perlen auf die Brust. Sie nimmt eine davon ab,
die kleinere, in der schwarze und versilberte Blätter verflochten und mit rocailles aufgereiht sind. Eine hübsche Kette.
»Die ist für deinen Bruder.« Sie schließt meine Hände darüber, die beide in einer Hand von ihr verschwinden.
Irgendjemandem muss ich es doch sagen. Also, was soll’s.
»Hör zu … Er ist nicht mein Bruder.«
Sie legt sich den Zeigefinger auf die Lippen. Wie eine Mutter, die ihr Kind beruhigt. Ich frage mich, ob Hormone, überdosiert, so etwas bewirken können. Ich bekomme Angst, dass ich sehr bald zu einer so zarten Geste nicht mehr fähig sein werde. Es ist ein Urteil, das ich selbst über mich abgebe, in der Hoffnung, dass es mir weniger wehtut.
»Er ist nicht mein Bruder. Sieh mal, ich bin …«
»Ist nicht wichtig«, sagt sie. »Gib ihm einfach die Kette. Kann ich dir vertrauen?«
»Natürlich kannst du mir vertrauen.«
Sie lächelt, wirft mir eine Kusshand zu und schlurft mit ihren bunten Flip-Flops Größe 43 über den heißen, sandigen Boden davon.
Ich habe zwei knappe Stunden Pause und beschäftige mich mit kleinen banalen
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