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Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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die Hand und dreht sie hin und her, ohne auch nur das Zellophan aufzureißen.
    »Was meinst du, Rosa?«, fragt Reja mich in einem hinterhältigen Ton.

    Ich meine, dass wir in der Klemme stecken. Denn wenn es Handgreiflichkeiten gab, könnte der Topf aus Versehen vom Herd gekippt sein. Wenn nicht, bedeutet es, dass Cocíss sich die blauen Flecken später zugezogen hat. Vielleicht als Morano ihn gegen den Schrank geschleudert hat. Also bin ich still, zögere, und Morano kommt mir zuvor.
    »Ich habe verstanden. Wir haben den Auftrag, diesen Dreckskerl zu verteidigen, der in einer Woche nichts als Scheiße gebaut hat. Lesen Sie es nach. Steht alles in den Berichten unserer Kollegin.«
    »Und der Albaner?«
    »Mir ist nicht bekannt, dass er Vorstrafen hat.«
    »Mir ist bekannt, dass er am Nachmittag Rosa angegriffen und bedroht hat.«
    Noch ein finsterer Blick von Morano. Er kann nicht verlangen, dass ich diese Sache Reja gegenüber verschweige.
    »Er hat mir eine Schüssel mit Spülwasser über den Kopf gegossen.«
    »Wir werden das bei den mildernden Umständen geltend machen.«
    Auch Reja steht auf. Er trägt ein schwarzes, ziemlich enges Hemd, sieht aus, als wäre er gerade einer dieser Männerzeitschriften entstiegen, die ein Sixpack in zwei Wochen und »einhundertelf Arten, sie im Bett verrückt zu machen« versprechen (schon drei oder vier wären großartig).
    »Der Padre ist erst dazugekommen, als alles vorbei war, und andere Zeugen gibt es nicht. Die beiden sind nicht vernommen worden. Für mich ist der Ablauf zu klären, und es liegen keine Gründe vor, unseren Mann weiter festzuhalten. Ist das nachvollziehbar?«
    Reja hat jetzt einen formalen und versöhnlichen Ton angeschlagen. Das wird Morano noch wütender machen, also gebe ich meine Zurückhaltung auf.
    »Cocíss hat es mir gesagt.«
    »Was?«
    »Dass er mit Vassilj abrechnen wollte. Für alle im Zentrum
bin ich seine Schwester, Vassilj hatte mich respektlos behandelt, und er konnte die Sache nicht durchgehen lassen.«
    »Hat er ausdrücklich gesagt, dass er den Kopf des Jungen in kochendes Wasser gedrückt hat?«
    Morano möchte, dass ich Ja sage. (Und was kostet es mich im Grunde?)
    »Nein, das nicht.«
    »Das bedeutet nur, dass sich beide einig waren, sich nachts in der Küche zu treffen. Vassilj - oder wie zum Teufel der heißt - hätte Padre Jacopo informieren können. Stattdessen hat er es akzeptiert, die Angelegenheit so zu regeln, also wusste er sehr gut, dass es sich nicht um eine Partie Briscola handelte. Sie kamen alle beide in feindlicher Absicht. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
    Reja hat einen Punkt für sich gemacht. Morano geht zurück an den Schreibtisch und wirft die Zigarettenschachtel in einen Ablagekorb. Er neigt den Kopf zur Seite, streckt zum Zeichen seiner Bereitschaft einzulenken die geöffneten Hände aus.
    »Sehr gut, Kollege. Dann lassen wir den Albaner im Krankenhaus bewachen. Und wenn er in der Lage ist, den Mund aufzumachen, also frühestens in einem Monat, verhören wir ihn. Aber in der Zwischenzeit geht dieser Scheißkerl hier nur raus, um ins Gefängnis zurückzukehren. Haben wir uns verstanden?«
    Reja schüttelt den Kopf. Seelenruhig, würde ich sagen.
    »Nein, wir haben uns nicht verstanden. Also gehe ich jetzt frühstücken und lasse Ihnen zehn Minuten zum Nachdenken.«
     
    Fast exakt nach Ablauf der zehn Minuten klingelt das Telefon. Ich melde mich, weil auch Morano rausgegangen ist, um eine Zigarette zu rauchen.
    »Guten-Tag-DIA-Antimafiabehörde-Rom«, legt eine Frauenstimme wie ein Maschinengewehr los »Ist dort das Büro von Inspektor Morano?«

    »Ja.«
    »Mit wem spreche ich?«
    Während ich erkläre, wer ich bin, kommen Reja und Morano herein.
    »Ich rufe im Auftrag von Dottor D’Intrò an«, fährt die Frau fort. »Bitte bleiben Sie am Apparat.«
    Eine Plastikmusik setzt ein, und ich halte die Sprechmuschel zu. Als ich sage, wer am Telefon ist, macht Reja keinerlei Anstalten, überrascht zu tun.
     
    »Inspektor Morano, wie ich schon Gelegenheit hatte, Ihrer Kollegin zu erklären, gibt es Regeln, aber ebenso gibt es auch Prioritäten, die wir geistesgegenwärtig berücksichtigen müssen. Darin besteht unsere Arbeit. Klar ist, die Notwendigkeit des chirurgischen Eingriffs bleibt eine Priorität, sie ist sogar un-ver-zicht-bar . Umso mehr, falls das eigentliche Schutzprogramm infolge des Verhaltens des Betreffenden nicht genehmigt werden sollte. Doch das ist ein Problem, um das wir uns später

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