Camorrista
Spaccavento, und das in zwei Tagen (sie sind mächtig und verfügen auch über Mittel zur Gegenspionage, verdammt). Ich schließe die beiden Carabinieri aus, die ihn zu der Tankstelle gebracht haben, und stelle eine Liste auf: Reja, Morano, Salvo und ich. Dann D’Intrò und die Staatsanwältin Massacesi. Ich nehme noch den Psychologen dazu, Alamanni. Der Maulwurf (dieses elende Arschloch, will ich fast sagen) ist unter den Genannten, leider.
Deshalb rufe ich niemanden an. Mehr noch, ich schalte mein Handy aus.
Dass Cocíss der Mörder der beiden Mädchen und Capuanos ist, kommt plötzlich heute Abend heraus, nachdem ich seine Übergabe an die Männer mit dem Schlauchboot torpediert habe.
Es ist ihnen nicht gelungen, ihn umzubringen, also brandmarken sie ihn als Aussätzigen, verurteilen ihn dazu, beim ersten Hofgang abgestochen zu werden. Nur aus Rache? Das ist ihnen zuzutrauen - das und noch mehr. Und wenn nun aber der kleine Bastard dem Clan Incantalupo im Ernst noch schaden könnte? Wenn sein Abkommen kein verzweifelter Wahn wäre?
Ich klimpere mit den Schlüsseln in meiner Tasche, mache das Treppenlicht an, bevor ich die Tür öffne.
Im Film Nummer zwei bin ich keine dumme Kuh und riskiere auch nicht meine Karriere.
Im Film Nummer zwei glaube ich fest an einen wie Cocíss und riskiere es, umgebracht zu werden.
Saro Incantalupo in Handschellen. Nicht etwa in zwanzig Jahren, nicht, wenn er es entscheidet. In Handschellen in drei Monaten, sechs Monaten, höchstens einem Jahr. In Handschellen,
weil wir ihn fassen. Und die Geschichte wird umgeschrieben. Das Reich des Eises schmilzt.
Und ich wünschte, sie wären im Inneren des Eises.
Nunzia und Caterina. Nicht tot, nur schlafend. Ich möchte dabei sein, wenn der letzte Klumpen Eis zerbröckelt. Möchte sehen, wie sie aufwachen und schwimmen, sich nass spritzen und kreischen. Als hätten sie nur geschlafen, kaum länger und tiefer als normal. (Ein großer Eisberg, vielleicht ganz aus Speiseeis! Eis, Mädchen!)
Ich möchte mit Nunzia und Caterina im Wasser des geschmolzenen Eisbergs schwimmen. Wasser so warm wie Fruchtwasser. Doch nicht süß.
Ich möchte noch geboren werden, und ich möchte, dass sie nie gestorben wären.
Ich werfe mich auf die Couch und sehe nichts mehr, als würde mich der Widerschein des Eisbergs blenden. Die Tränen fließen nicht. Sie schießen mir in die Augen.
Letzten Endes sind Psychopharmaka oder Handys Hexerei.
Ich will gar nicht wissen, wie sie funktionieren. Ich erwarte nur, dass sie funktionieren.
Mein Handy ist ausgeschaltet, ich weiß nicht einmal mehr, seit wann. Das Diensthandy schalte ich jetzt aus und lasse es im Rucksack. Es hat den ganzen Abend nicht geklingelt, besser, es klingelt auch jetzt nicht mehr (wem soll ich glauben?).
Von der Anspannung habe ich einen sauren Magen. In der Wohnung esse ich gleich ein wenig Brot und gieße mir ein Glas Milch ein (wem will ich glauben?). Der Himbeersaft ist alle, und irgendwo im Kühlschrank vergammelt ein Stück Käse, wie fast alle frischen Sachen, mit denen meine Mutter mich immer wieder versorgt in der Hoffnung (oder der Illusion), dass ich für mich selbst fantastische Soßen koche.
Bevor ich das Glas Milch austrinke, gehe ich ins Schlafzimmer. In der untersten Schublade des Nachttischs habe ich eine Menge Anxiolytika, die ich vor einiger Zeit bei meinem Vater beschlagnahmt habe.
Ich mache die Schachteln auf gut Glück auf, lese ein wenig herum: Indikationen und Kontraindikationen, unerwünschte Wirkungen und vor allen Dingen erwünschte.
Wirkung eins: schlafen. Wirkung zwei: vergessen, dass ich morgen mit Paolo D’Intrò reden und ihm gegenüber den Namen Saro Incantalupo erwähnen muss. Ich. Sogar Cocíss hat Angst, ihn auszusprechen.
Mir fällt ein, wie sehr ich meinen Vater wegen seines verzweifelten Glaubens an Beruhigungsmittel verachtet habe.
Die winzige orangefarbene Pille geht mit der Milch runter, das Handy informiert mich darüber, dass ich sieben Anrufe erhalten habe, während ich nicht erreichbar war. Vier von meiner Mutter, zwei von Maurizio, einen von Antonello. Noch zwanzig Minuten bis Mitternacht, ich habe keine Lust, mit irgendjemandem zu reden. Es ist jetzt mein Leben, das mir unerreichbar scheint.
Ich ziehe den Rollwagen mit dem Fernseher ins Schlafzimmer, lege meine beiden Kissen aufeinander und strecke mich auf dem Bett aus, ohne es auch nur aufzudecken.
Ich suche eine Nachrichtensendung. Stoße auf einen Gewerkschafter, der mehr
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