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Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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Unbefangenheit, damit heraus, dass am Ende vielleicht die Todesstrafe … Er ist achtzehn Jahre alt? Ja und? Mit fünfzehn bringen sie einen hier schon für ein Handy um . Die Journalistin gibt zu bedenken, dass es in
Italien die Todesstrafe nicht gibt. Dann wollen wir hoffen, dass so einer von jemand anderem erledigt wird , lautet die Antwort. Und von wem?, fragt die Journalistin. Von denen, die Bescheid wissen und wissen, wie man es macht , äußert ein Glatzkopf mit Rayban, bevor er der Fernsehkamera den Rücken zuwendet und davongeht.
    »Hoffen wir, dass sie dich und deine ganze Familie umbringen, du Scheißdreckskerl !«
    Cocíss springt auf und reißt das Verbindungskabel zum Generator heraus. Er lässt mir nicht die Zeit, den Mund aufzumachen, und ich bewege mich keinen Millimeter, schiebe nur meine Hand näher an die Innentasche, in der die Beretta steckt.
    »Und du glaubst das? Das ist nicht wahr! Die wollen mich ficken, die alle zusammen! Weil ich dem Dottor D’Intrò geholfen habe. Sie haben mich nicht umgebracht, und das ist alles Rache! Die haben ein Gemetzel angerichtet, verstehst du, mit den ganzen Toten, den Leuten, die verbrannt sind und erschossen wurden und die nicht mal was damit zu tun hatten …«
    »Sag mir die Wahrheit, Cocíss. Jetzt musst du das.«
    »Ich sage sie dir, die Wahrheit! Die Scurante wollen den, der Capuano umgebracht hat, die Incantalupo wollen den, der die beiden Mädchen umgebracht hat, weil das ganze Viertel in Aufruhr ist. Die ficken mich. Die lassen mich so dafür zahlen, dass ich dem Dottor D’Intrò geholfen hab. Aber er muss das verstehen, das ist alles Rache, es stimmt nicht! Ich hab mein Gebiet immer nach vorn gebracht, und damit basta, und ich habe nie auf irgendeinen geschossen, das schwöre ich bei meiner Mutter, hast du verstanden, bei meiner Mutter!« Er gießt sich einen Schluck Bier in die Kehle, nimmt dann die andere Dose und trinkt weiter. Er senkt den Kopf, lässt einen Rülpser raus und lehnt sich gegen die Wand. An der Gipspappe hängen ein Ähren- und Mohnstrauß aus Papier und eine Uhr, die nicht geht. Ich werfe einen Blick darauf: Das Zifferblatt ist aus Pappe.

    »Ich war das nicht. Ich will nur die ganzen Fehler, die ich gemacht habe, gutmachen, der Dottor D’Intrò weiß das, wir waren uns einig und haben viel gesprochen. Wenn ich was sage, dann stimmt das auch. Nicht wie bei den elenden Arschlöchern da. Du musst mir glauben, die wollen mich jetzt alle fertigmachen. Weil, so geht das, verstehst du? Wenn du eines Tages dein Leben ändern willst, lassen die das nicht zu. Für die bist du als schlechter Mensch geboren, und deshalb musst du auch als schlechter Mensch sterben.«
    Als er sich über den Tisch legt und zu weinen anfängt, hofft irgendetwas in mir sogar, dass alles eine Inszenierung ist. Irgendetwas in mir zieht sich zurück, wird unerreichbar .
    Ich flüchte mich in den Gedanken, dass in dieser furchtbaren Küche heute Abend eine Familie versammelt sein könnte. Doch Casarredo wurde geschlossen, als mein Onkel nach einer Anlaufzeit nicht mehr für meinen Vater garantieren konnte. Nach Ansicht der Banken rechtfertigte das Geschäftsvolumen nicht länger ein ausreichendes Vertrauen in eine Weiterführung. Das war für meinen Vater der Zusammenbruch. Die endgültige Demütigung. Mein Onkel hat die Firma übernommen und nach ein paar Monaten geschlossen. Inzwischen, nehme ich an, hat er jede Hoffnung verloren, sie noch loszuwerden (keine Familie hier, ganze Nachmittage lang niemand, nur ich und der Ofen).
    Und heute Abend bin ich wieder in dieser furchtbaren falschen Bauernküche. Ich und Cocíss, ein Alphatier, das soeben in Ungnade gefallen und dazu bestimmt ist, zerfleischt zu werden. Von seinem Rudel oder einem anderen, in einer Zelle oder auf einer Straße in der Vorstadt, das mag einen gewissen Unterschied für jemanden machen, der sich das Ganze von außen betrachtet, aber gewiss nicht für ihn.
    Wenigstens in diesem Punkt bin ich mir sicher, dass er nichts vorspielt.
    »Ich habe sie nicht umgebracht, diese Mädchen. Ich hab vielleicht in meinem Leben alles falsch gemacht, das streite ich ja gar nicht ab, aber ich war es nicht, der sie umgebracht
hat, Nunzia und Caterina. Ich vertraue dir, du hast dafür gesorgt, dass sie mich nicht umbringen«, fährt er fort, »aber du hast doch auch gesehen, dass es stimmt, was ich dir gesagt habe. Die haben rausgekriegt, wo ich war. Und deshalb musst du mir auch vertrauen.«
    Ich beschließe, es

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