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Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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an, er hält sich an die Abmachung. Welche Garantien haben wir hinsichtlich der Informationen,
die er uns gibt? Woher wissen wir, dass er uns zu dem echten Saro Incantalupo führt?«
    Ich warte, bis er sich mir zuwendet, und schaue ihm gerade in die Augen. Ich biete das letzte bisschen Mut auf, das ich noch habe. Wenn ich mich irre, bin ich geliefert.
    »Sie, Dottor D’Intrò, haben Mastronero wie einen Vertrauten behandelt und ihm die Privilegien eines Mitarbeiters gegeben. Sie haben ihm das Gefängnis erspart, mehr noch, Sie haben ihn nicht einmal offiziell verhaftet und ihn vor dieser Hölle beschützt. Soll ich Ihnen sagen, was ich darüber denke? Ich denke, dass Sie von Anfang an begriffen haben, dass Mastronero singen würde und ein großes Risiko einging. Aber er musste sofort singen. Und die Nachricht, dass wir ihn gefasst haben, hätte genügt, all die anderen Capozona entkommen zu lassen. So hingegen haben Sie durch Cocíss zwei Dutzend erwischt, alle in einer Nacht.«
    D’Intrò verschränkt die Arme und scheint sich in aller Ruhe auf eine lange Provokation einzustellen. Ich schlucke trocken und ziehe die Sache bis zu Ende durch.
    »Cocíss hat Ihnen also schon einen guten und verlässlichen Tipp gegeben. Ob es noch andere Motive gibt, kann ich Ihnen nicht sagen. Ansonsten war ich bei der Verkehrspolizei, da haben Sie Recht. Aber ich spüre, dass Mastronero nicht blufft, und auch Sie wissen sehr gut, dass es so ist, Dottor D’Intrò. Machen Sie sich nicht über mich lustig.«
    Er bindet sich einen Schnürsenkel und zieht eine Socke hoch. Dann nimmt er mich beim Arm, knapp oberhalb des Ellbogens.
    »Kommen Sie mit.«
     
    Die anderen drei haben sich aufgelöst wie Weihrauchwolken. Wir gehen durch das Pfarrhaus hinaus, es riecht nach Minestrone und Mottenpulver. Im Gang erinnert eine auf Hochglanz polierte Messingtafel an die großzügige Spende der Familie Incantalupo für die Restaurierung des Kirchengeräts.
    Wir kommen in einem Canyon von Häusern heraus. Auf
manchen Terrassen sprießen Petunien und Geranien, auf anderen büschelweise Unkraut, das aus den Löchern wächst, die heruntergefallene Ziegel hinterlassen haben. Die aufgehängte Wäsche teilt den engen Himmel in Streifen, die Tauben haben ihre Nester zwischen die Altäre schmerzensreicher Madonnen und die alten gelben Schilder öffentlicher Telefone gebaut. Wir schieben uns zwischen den Autos durch, um zwei Motorroller mit heulendem Auspuff durchzulassen. Die beiden jungen Typen sind ohne Helm und mustern uns eindringlich, ohne es besonders zu verbergen. D’Intrò tut so, als wäre nichts, und sagt mir, ich solle ihn unterhaken. Wir kommen in einer ansteigenden Straße heraus. Mit einer Vespa oder einem Moped transportieren sie hier alles, Kisten mit Erdbeeren, Rahmen, Öfen und Gasflaschen.
    Ich schiele in einen Friseursalon, in dem nichts darauf hinweist, dass seit der Landung der Alliierten sechzig Jahre vergangen sind. Nach einer Firma für preisgekrönte orthopädische Korsetts folgt eine lange und traurige Reihe geschlossener Rollgitter. Hin und wieder ein schmaler Eingang ohne Tür, schwarz wie ein fehlender Zahn, und wie bei einem Mund mit schlechten Zähnen ist ein Geruch von Fäulnis wahrzunehmen.
    Der Lieferwagen eines Kuriers steckt auf einer Kreuzung fest. Doch der Stau setzt sich fort, es stehen Leute rum, das Problem ist weiter vorn. Auf der Piazza ist der Verkehr blockiert, das Hupen erinnert an den resignierten Chor einer Herde. Ich lese das verblasste Schild »Largo dei Normanni«. Ein Stadtpolizist auf einem Motorroller fährt auf dem Bürgersteig vorbei, um vorne zum Brunnen zu gelangen. D’Intrò geht schneller, ich weiß gut, woran er denkt in diesen Zeiten. Doch man hört keine Sirenen, man hört keine Schreie, da ist nicht diese stille Welle der Erschütterung, die einem rät, die Hände von der Hupe zu lassen. Es gibt kein Mordopfer.
    Wir schlüpfen zwischen den im Sonnenlicht glühenden Motorhauben durch, gehen an der Ansammlung Neugieriger vorbei, und D’Intrò verlangsamt seinen Schritt ein wenig,
sieht nur kurz hin, als ahnte er schon, worum es sich handelt.
    Ein Loch. In Form einer Sieben, wie es manchmal Risse in einem Stoff gibt. Es ist ziemlich groß, wenigstens drei oder vier Meter sind eingebrochen. Die Straßendecke hat nachgegeben, und alle schauen in das Dunkel darunter. Die Leere. Der Asphalt wirkt plötzlich nur noch wie ein dünnes Tuch über dem Nichts.
    Die Leute scheinen sich zu fragen, warum sie

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