Camorrista
Bulldogweibchen trächtig, bekam ein Junges, war aber zwei Stunden später tot, weil irgendein Pfuscher von einem Tierarzt die Hündin praktisch gevierteilt hatte.
»Bulldogweibchen sind schmal. Sie können nicht werfen, wenn man ihnen da nicht einen Schnitt macht, verstehst du?«
»Ich verstehe sehr gut. Das heißt Kaiserschnitt.«
Er wirft mir einen verwirrten Blick zu. Dann sieht er sich im Spiegel an und sagt, dass er nachher bestimmt scheiße und wie eine Schwuchtel aussieht.
»Wann machst du mir dieses Zeug runter?«
»In fünf Minuten.«
»Und dann?«
»Dann spülen wir die Haare aus und schneiden sie.«
Vor dem Ausspülen schafft er es noch, mir zu erklären, wie er zu all den Narben gekommen ist.
»Wir hielten ihn auf einem Dachboden von Block K, ich und mein Bruder Nino. Man hatte uns eingeschärft, dass er von klein auf bösartig werden musste. Und dann muss man sie auch im Dunkeln lassen, drei oder vier Tage ohne Fressen. Du musst ihnen richtig beibringen, was Schmerz ist, verstehst du, weil sonst sind sie nachher nicht scharf genug, um bis zum Ende zu kämpfen, und dann lassen sie sich verarschen. Manchmal haben wir ihn auch in einen Sack gesteckt und mit Stöcken drauf geprügelt. Einmal ist mein Bruder so ausgerastet, ich weiß nicht, was mit dem los war, vielleicht war er ein bisschen neben der Kappe, jedenfalls hat er auf ihn eingedroschen, als ob er ihn umbringen wollte. Und wenn er den Champion von Ezio Curto umbrachte, würde der uns umbringen. Jedenfalls bin ich dazwischengegangen, habe ihn gestoppt und auch einen Schlag abgekriegt. Ich hab den Sack aufgemacht, und der Hund bewegte sich nicht mehr. Aber dann ist er auf mich losgegangen. Er wollte mich ins Gesicht beißen, aber ich habe mich früh genug umgedreht.«
Ich fange an, ihm die Alufolie aus den Haaren zu machen, und muss ihn hundert Mal ermahnen stillzuhalten.
»Und die Narben unter den Augen, das war auch der Hund?«
Er erstarrt. Augenblicklich.
»Was geht dich das an? Ich hab dir schon genug erzählt.«
»Okay. Spül es aus, los.«
Um die Fotos zu machen, nehme ich ein Bild meiner Freundin Sandra von der Wand, eine große blaue Welle, die in Wirklichkeit eine Collage aus zerrissenen Etiketten und Verpackungen von Dosenthunfisch ist. Cocíss schaut es an und sagt, ihm gefällt die Farbe.
Ich nehme ihn mit dem Handy vor dem neutralen Hintergrund ins Visier. Wir verlieren eine Viertelstunde, weil er lachen muss, herumalbert, sich keine von den Fensterglasbrillen aufsetzen will. Schließlich überzeuge ich ihn, dass es besser ist, und er sucht sich die mit der schwarzen Fassung
aus. Er geht ins Bad, um sich im Spiegel anzuschauen, und sagt noch einmal, dass er wirklich wie eine Schwuchtel aussieht. Aber er lacht darüber, vielleicht nur, weil der Koks ihn auf den Beinen hält.
Ich mache ein Dutzend Aufnahmen von ihm, er möchte sie gleich sehen, aber ich gebe ihm das Handy nicht. Das macht ihn wütend, und aus Rache spuckt er ins Waschbecken und legt die Füße auf die Couch, ohne sich die Schuhe auszuziehen.
»Kompliment«, sage ich von meinem Platz vor dem Computerbildschirm aus. »Jetzt komm und such dir aus, welches dir am besten gefällt.«
»Aber nachher mache ich welche von dir.«
»Klar«, antworte ich und nehme meine Karte aus dem Handy.
»Noch eins, lächeln … na los, warum lächelst du nicht?«
Er scheint sich wirklich zu amüsieren. Ich nicht. Ich beobachte jede Bewegung, die er macht. Koks hin oder her, mir ist er mit guter Laune lieber.
»Es sind Passbilder, also bitte.«
»Aber wenigstens eins mit einem Lächeln.«
Er zeigt mir seine grauen Zähne mit dem geröteten Zahnfleisch, und dabei schaut er auf das Display des Handys, neigt es nach rechts und nach links.
»Es reicht, ich mache es selbst.«
»Aber ich kriege dann nachher eins, okay?«
»Nicht im Traum.«
»Aber weißt du, du könntest Model werden«, zieht er mich auf.
»Her damit.«
Er klappt das Handy zu und wirft es in meine Richtung. Ich fange es im Flug auf, bevor es an die Wand knallt. Cocíss steckt sich eine Zigarette an und lässt mich wissen, dass er eine kleine Runde drehen will.
»Kommt gar nicht infrage«, stelle ich sofort klar.
»Wo ist das Problem? Wer soll mich denn erkennen, so als Schwuchtel zurechtgemacht?«
»Hast du die Pistole dabei?«, fragt er. Wir gehen an mit Efeu bewachsenen Mauern entlang. Ich schaue in jeden Hof, zwischen die Schatten in den Lauben.
»Was geht das dich an?«, antworte ich
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