Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
Vom Netzwerk:
ihm. Ohne es zu wollen, habe ich ihn nachgeahmt. Und er hat es gemerkt (ich bin vielleicht blöd).
    »Die funktioniert gut. Die Pistole, die ihr habt. Sie ist einfach. Es ist, als würde man mit dem Finger auf etwas zielen. Wie viel Schuss hat sie?«
    »Acht.«
    »Und das ist alles?«
    »Es ist eine Kompaktwaffe. Mit einem einreihigen Magazin. Man hat noch eins zum Wechseln.«
    (Und der soll noch nie geschossen haben?) Wir kommen zum Aussichtspunkt. Auf den Bänken sitzen Gruppen alter Männer mit Stöcken und dösen. Manche spielen Karten. Die Frauen haben sich von zu Hause Klappstühle mitgebracht und kratzen ihre Eisbecher aus.
    Cocíss bittet mich um Kleingeld und verschwindet in der Bar des Circolo Arci . Ich warte draußen auf ihn, weil der Typ hinter der Bar mich kennt und ich mich lieber nicht sehen lasse. Cocíss kommt mit einer Dose Bier und einem Eis am Stiel heraus.
    Wir gehen auf das Geländer zu. Der Mond ist ohne Hof, und der leichte Wind erinnert vage daran, dass der Winter sich zwar irgendwo verkrochen hat, aber zurückkommen wird. Der Winter. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie der nächste Winter sein wird. Wo ich sein werde. Wo Cocíss sein wird, der zwischen zwei Schlucken Bier in sein Eis beißt. Was macht so einer in der Welt? Raus dem Gefängnis und weit weg von seinem Clan.
    »Das erste Mal, wenn du eine Pistole hast, meinst du, alle wissen es, auch wenn sie die Pistole nicht sehen. Stimmt’s?«
    »Stimmt. Und wann hast du zum ersten Mal eine Pistole benutzt? Lass mal hören.«
    »Ich bin’s nicht gewesen. Ich weiß, worauf du mit dem Gerede hinauswillst, aber ich habe sie nicht umgebracht. Auf Menschen habe ich nie geschossen. Nie.«
    »Worauf hast du dann geschossen?«
    »Auf Tauben.«
    »Auf Tauben?«
    »Es gab da einen Hof, wo wahnsinnig viele waren. Die haben alles vollgemacht, ekelhaft. Und da hab ich mich manchmal ans Fenster gestellt und ein paar erschossen. Das ist gar nicht einfach, weißt du. Die können ja fliegen.«
    Mir fallen die Engelchen ein, die die Freundinnen von Nunzia und Caterina gezeichnet haben. Nicht immer hilft ein Paar Flügel dabei, sich zu retten. Ich muss das Gespräch sofort auf etwas anderes bringen. Er sorgt schon dafür, indem er mir erzählt, wie er mit anderen Jungen aus dem Viertel den Auftrag bekommen hat, auf streunende Hunde Jagd zu machen. Es gab hunderte, auch Rassehunde darunter; es waren die Hunde, die die Leute am Zubringer ausgesetzt hatten. Sie waren verwildert, zogen in Rudeln durch die Gegend, und nachdem sie sich auf einem alten Lagerplatz niedergelassen hatten, waren sie langsam dem Viertel 167 immer näher gekommen. Eines Abends hatten sie einen Drogensüchtigen zerfleischt. An diesem Punkt hatten die Capozona einvernehmlich beschlossen, das Problem müsse gelöst werden, um die Kundschaft zu schützen.
    Cocíss erinnert sich daran wie an ein großes Abenteuer und erzählt mir, mindestens ein Dutzend erschossen zu haben. Er weiß noch, dass er die ganze Nacht lang damit beschäftigt war, die Kadaver aufzusammeln. Sie dachten, sie müssten sie verbrennen, aber im Morgengrauen kam ein Lastwagen, und man befahl ihnen, alle aufzuladen. Das war nicht so lustig wie das Schießen. Lohn für die Nacht: Das Handy wurde für fünfzigtausend Lire aufgeladen.
    »Wo wir von Hunden reden: Wieso hatte denn der Hund den gleichen Namen wie du?«

    Er antwortet mir nicht, trinkt die Dose Bier aus, drückt sie mit einer Hand zusammen und schleudert sie dann weg, zwischen die Büsche.
    »Was geht dich das an?«
    »Mich interessiert der Rest der Geschichte.«
    Er setzt sich rittlings aufs Geländer.
    »Den Namen, den hat ihm Ezio Curto gegeben, den sie Japàn nennen. Ich wusste nicht mal, was er bedeutet.«
    »Das war ein Apachenhäuptling. Genau genommen hieß er Cochise .«
    Er nickt und fängt wieder an, von seinem Champion zu erzählen. Wie sie ihn in eine Decke beißen ließen und ihn dann von der Terrasse runterwarfen und der Hund sich nur mit den Zähnen festhielt, bis er am Ende war. Er erklärt mir, dass man so die Unterkiefermuskeln kräftigt. Dann erinnert er sich daran, wie sie ihm nach drei Tagen im Dunkeln und ohne Fressen eine 100-Watt-Birne vor die Augen hielten und ihm eine Katze vorsetzten. Sie machten eine Woche lang mit Katzen weiter, begannen dann mit streunenden Hunden, die sie aus dem Tierheim holten. Sein Bruder suchte sie persönlich aus, jedes Mal einen, der ein bisschen größer und widerstandsfähiger war als der letzte.
    »Ich

Weitere Kostenlose Bücher