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Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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hole, erlaube
ich mir den Eindruck, dass alles gut läuft. Ein Eindruck, dem ich eigentlich nie traue.
     
    »Was, du kannst Haare schneiden?«
    »Frauen können alles. Geh ins Bad und stell dich ans Waschbecken.«
    Ich suche das größte Handtuch, das ich habe, und sage ihm, er soll es sich um die Schultern legen. Dann ziehe ich mir Gummihandschuhe an und hole eine Schere aus der Schublade, aber sie kommt mir nicht sehr scharf vor. Zum Glück fällt mir ein, dass ich noch eine andere im Schränkchen habe. Ich nehme sie, um gespaltene Haarspitzen rauszuschneiden, sie ist kleiner, aber bestimmt schneidet sie besser.
    »Das Beste wäre, dir eine Glatze zu scheren.«
    »Du bist ja verrückt.«
    »Dann machen wir sie blond, einen Bürstenschnitt.«
    »Wie eine Schwuchtel? Ja, fick dich doch!«
    Er will sich schon das Handtuch abnehmen, doch bevor er nur daran denken kann, fuchtle ich ihm mit der Schere direkt vor den Augen herum.
    »Schwuchtel … Wenn du doch wie eine Frau aussehen könntest. Das wäre perfekt.«
    »Ja, fick dich doch.«
    Er schaut die Spitzen der Schere an.
    »Du hast blaue Augen. Du wirst sehen, das sieht gut aus.«
    Er beugt sich über das Waschbecken und spuckt blutroten Speichel.
    »Gib mir das Shampoo«, brummt er.
    »Zuerst färben wir.«
    »Ich hab gesagt, dass ich mir jetzt die Haare wasche, klar?«
    Als ich den Hahn aufdrehe, stößt er einen rauen Seufzer aus, der in dem Porzellanbecken widerhallt.
    »Es ist zu heiß.«
    Dann, als er den Wasserstrahl in den Nacken richtet, scheint mir, dass er sich entspannt. Während das Wasser nach
und nach die Haare glättet, sehe ich Male auftauchen, die nur wenig dunkler sind als seine Kopfhaut, ähnlich wie große trockene Blasen, die eine Kinderkrankheit hinterlassen hat.
    »Was ist das?«
    »Hast du jetzt verstanden, warum es nicht gut ist, mir eine Glatze zu scheren?«
    »Ja, aber was ist das?«
    »Ich habe keine Krankheit. Das war Cocíss.«
    »Cocíss?«
    »Cocíss war der Größte, ein Champion.«
    Er kommt mit dem Kopf aus dem Waschbecken hoch und fängt an zu erzählen, birgt sein Gesicht im Handtuch, während ich das Pulver in einer alten Schüssel auflöse.
    »Er war ein Bullterrier. Wahnsinnig stark. Eine Bestie. Und ich habe ihn aufgezogen. Ich habe sogar dafür gesorgt, dass er auf die Welt kommt, echt.«
    Ich teile die Alufolie in Stücke, um die Farbe aufzutragen, stelle mich dann mit der Schere in der Hand hinter ihn. Dann ziehe ich ihm die Haare ein bisschen hinter die Ohren und in die Stirn und komme zu der Überzeugung, dass ein weniger radikaler Schnitt genügen wird, um ihn wie einen beliebigen jungen Mann aussehen zu lassen.
    Es sieht so aus, als würde er mich jetzt machen lassen, weil er ganz darauf konzentriert ist, mir von diesem Hund zu erzählen. Ich fange an, seine Haare büschelweise mit Alufolie zu umwickeln, und er erklärt mir, wie schwierig es ist, bestimmte Hunde dazu zu bringen, sich zu paaren, vor allen Dingen Bulldoggen, die »ausgewählten Rassen«, wie er sie nennt. Die Hündin ermüdet sehr schnell, wenn sie besprungen wird, weil sie von der Konstitution her schmale Hüften hat und beinahe sofort furchtbare Schmerzen empfindet. Deshalb müssen auch zwei oder drei Leute dabei sein, um den Rüden zu stützen, damit er nicht zu schwer auf ihr lastet. Doch der Rüde seinerseits verliert schnell jede Lust, und deshalb muss man auch ihm helfen.
    »Dreh dich zu mir um«, sage ich.

    Ich mache ihm die Röllchen aus Alu und höre zu. Er drückt sich natürlich nicht mit Fachtermini aus, doch er überzeugt mich langsam, dass mir, sollte ich mich als Bulldogweibchen reinkarnieren, mein jetziges Leben wie ein Märchen vorkommen würde.
    Aber er kann sogar feinfühlig werden, wenn er mir in allen Einzelheiten erzählt, dass er es war, der das Ding des Bullterriers gehalten und es der Hündin reingesteckt hat, während ein gewisser Ezio Curto, genannt Japàn, den Tierarzt und die Besitzer der beiden Hunde mit der Pistole bedrohte. Sie probierten schon zum dritten Mal, die Hündin decken zu lassen, und Japàn hatte keine Geduld mehr, er wollte den Champion der Champions.
    »Wie alt warst du denn da?«, frage ich.
    »Was weiß ich, sieben oder vielleicht acht. Was ist das denn für ein Zeug auf meinem Kopf?«
    »Lass mich nur machen und fass es nicht an. Also? Erzähl weiter.«
    Er sagt, dass es geklappt hat, und soweit ich verstehe, ist er noch heute sehr stolz auf seine Tat. Dank seines Eingreifens wurde das amerikanische

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