Camorrista
sich ein geschniegelter junger Typ in einem dunklen T-Shirt mit der Aufschrift »Pablo Escobar« und mit kurzem Haar, das vor Gel starrt.
»Jetzt sieh dir diesen elenden Wichser an!«
Cocíss wendet sich dem Bildschirm zu und kratzt dabei mit dem Stuhl über den Boden. Dann sagt er, zu mir gewandt: »Weißt du, wer das ist, dieser Typ? Der war für mich im Haus von Heidi. Der hat tausend Euro am Tag gemacht, und dreitausend samstags und sonntags.«
Er springt vom Stuhl auf, tut so, als würde er auf den Fernseher schießen. Mit drei Schritten schafft er es, überall Wellen in den Teppich zu machen.
»Früher hast du dich nicht beklagt, du Arschgesicht!«
»Schluss jetzt! Man kann dich in der ganzen Nachbarschaft hören.«
Um ihn zu beruhigen, muss ich aufstehen. Er setzt sich wieder hin, und ich bringe den Teppich in Ordnung.
Als ich wieder vor meinem Teller sitze, nehme ich immer nur eine Nudel auf die Gabel. Sie sind wirklich ausgesprochen
gut. Cocíss hat die Soße mit Kapern, Oliven, Pinienkernen und Peperoncino gemacht, doch mein Magen reagiert empfindlich. Cocíss kippt sich den Rest der Nudeln und der Soße auf den Teller. Als die üblichen Fotos von Nunzia beim Spielen mit dem Kätzchen und von Caterina beim klassischen Tanz über den Bildschirm flimmern, beugt er sich schon wieder über sein Essen.
Ich drehe die Lautstärke des Fernsehers wieder auf null, und eine Weile sagen wir nichts. Er nimmt die restliche Soße mit Brot auf, stürzt dann zwei Gläser Wasser hinunter, quasi ohne Luft zu holen, und geht sich in der Terrassentür eine Zigarette anstecken.
»Hamburg. Wo ist das?«
»Hamburg ist in Deutschland. Warum?«
»Sie sagen, er könnte da sein.«
»Wer sagt das?«
Er wendet sich mir zu und wischt sich zwei Finger am Tischtuch ab (das macht er nicht extra, muss ich mir sagen).
»Du musst mir vertrauen, ohne Fragen zu stellen. Wie schnell können wir da sein?«
»In zwei Tagen.«
»Ich meine mit dem Flugzeug, hast du verstanden?«
»Ich habe sehr gut verstanden und sage dir noch einmal: zwei Tage. Du musst mir auch vertrauen und mir keine Fragen stellen.«
Er sieht mich schräg an, macht die Zigarette aus und wirft sich auf die Couch.
Ich räume den kleinen Tisch ab und stelle Teller, Gläser und Besteck ins Spülbecken. Offensichtlich hat er entschieden, für heute Abend mehr als genug getan zu haben. Als ich ins Schlafzimmer gehe, um das Notebook zu holen, gebe ich ihm ein Zeichen, sich die Schuhe auszuziehen, wenn er wirklich die Füße auf der Armlehne lassen will.
Er stößt geräuschvoll die Luft aus, aber er gehorcht.
Wir brauchen zwei Tage, weil wir ohne Tarndokumente kein Flugzeug nehmen können. Der erste passende Flug nach Hamburg geht morgen am späten Nachmittag von Rom. Von der kleinen Terrasse vor dem Schlafzimmer aus rufe ich D’Intrò an, ohne Cocíss aus dem Blick zu verlieren. Er zündet sich eine Zigarette nach der anderen an, wälzt sich auf der Couch herum und schaltet in einer irrsinnigen Geschwindigkeit durch die Kanäle. Nur ein Musikvideo mit scharfen Frauen kann ihn für ein paar Sekunden halten, aber nicht länger.
D’Intrò stellt mir keine Fragen. Seine Stimme flößt mir eine Ruhe ein, über die ich mich selbst am meisten wundere. Ich berichte ihm, dass alles vorangeht, unser Mann ziemlich kooperativ ist, aber dass wir Dokumente brauchen. Er ist sich mit mir über diese Priorität einig (halleluja). Ich muss ihm auch sagen, dass Cocíss ihn nicht mehr treffen will, und teile ihm schon einmal mit, dass wir morgen in aller Frühe nach Rom aufbrechen.
»Sie machen eine Pause, um zu frühstücken, wir verständigen uns, und ich schicke Ihnen einen vertrauenswürdigen Kollegen. Er hat die Dokumente für Sie beide. Wäre so gegen halb zehn zu früh?«
»Nein, überhaupt nicht«, sage ich. »Je früher wir uns hier wegbewegen, desto besser.«
»Gut. Sie haben doch eine Digitalkamera oder ein Fotohandy, nicht?«
»Ja.«
»Dann notieren Sie sich diese E-Mail-Adresse. Schicken Sie innerhalb einer Stunde Ihre beiden Passbilder, sonst schaffen wir es nicht mehr bis morgen früh, auch wenn wir die ganze Nacht arbeiten.«
Ich beobachte Cocíss, der sich aufsetzt und die Schuhe anzieht. Also antworte ich knapp und gehe zurück ins Zimmer, weil ich sowieso das Gefühl habe, dass D’Intrò und ich uns alles gesagt haben. Ich notiere die Adresse, und wir verabreden, uns morgen früh wieder zu sprechen.
Als ich die grüne Reisetasche aus dem Schrank
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