Camorrista
Dann kann ich genauso gut jetzt auch diesen Typ hier mit reinnehmen. Ich empfinde es wie eine Entweihung, eine radioaktive Verseuchung. Sobald all das vorbei ist, suche ich mir sofort etwas anderes.
»Ich will noch ein paar Sachen einkaufen, bevor der Supermarkt zumacht. Du gehst hoch, setzt dich vor den Fernseher,
bleibst in der Wohnung, ohne dich draußen irgendwo sehen zu lassen. Auch nicht am Fenster, okay?«
»Du musst mit mir nicht wie mit einem Idioten reden. Wir haben eine Abmachung, wir beide, du sagst mir, was ich machen soll, und ich mach’s.«
»Ausgezeichnet. Wir lassen den da reingehen, und dann gehen wir nach oben.«
Cocíss streckt die Hand aus.
»Fünfzigtausend Euro haben wir also gesagt.«
»Nein. Wir haben dreißigtausend gesagt.«
»Das ist doch ein Scheiß, dreißigtausend.«
»Fünfunddreißigtausend.«
»Ich hatte eine Masse Zeug und Geld, und jetzt nehmt ihr euch das alles.«
»Überspann den Bogen nicht, du hast doch keine Wahl.«
»Ich will vierzigtausend.«
Er schiebt die Brille hoch, sieht mir fest in die Augen und streckt die Hand aus. Ich muss seine Hand nehmen, die rechte, denn auch ich habe keine Wahl.
Mit einem festen Griff drückt er meine Finger. Ich hoffe, dass er wenigstens nie wirklich mit dieser Hand geschossen hat. Dass es wahr ist, dass er Capuano und die beiden Mädchen nicht ermordet hat. Doch der Zweifel genügt nicht, um mich von ihm nicht verseucht zu fühlen, von alledem, was er mitbringt. Und in sich hat. Und im Gesicht.
Diesmal muss ich einen Einkaufswagen nehmen. Ich versuche doch tatsächlich, mich an die richtige Rasierwassermarke zu erinnern, sage mir dann selbst: Das ist doch nicht möglich und nicht okay. Ich kaufe zwei Packungen Henna und handle am Ausgang bei einem chinesischen Straßenhändler für drei Fensterglasbrillen einen Preis von fünfzehn Euro aus. Sie haben bunte Fassungen und scheinen mir geschmacklos genug, um ihm zu gefallen. Dann gehe ich auch noch in eine Apotheke, um ihm Vitamine und eine Zahnpasta zu kaufen, die bei entzündetem Zahnfleisch gut ist.
Als ich in meine Wohnung komme, ist da ein ungewohnter Geruch. In der gusseisernen Pfanne, die ich nie benutze, weil es nervig ist, sie richtig zu spülen und einzufetten, brutzeln Zwiebeln und Knoblauch qualmend vor sich hin. Cocíss flegelt sich auf der Couch herum, Fernbedienung in der Hand, zappt bei abgestelltem Ton mit dem Daumen durch die Kanäle.
Ich stelle meine beiden Tüten auf den Boden und gebe ihm zu verstehen, dass er aufstehen soll. Er sieht mich mit einer Art müdem Interesse an.
»Hilf mir, das hier auf den Tisch zu stellen, los.«
»Ich habe einen Kochkurs gemacht, als ich im Jugendgefängnis war. Das war nicht schlecht, die Zeit verging schneller. Wir waren nur ich und noch zwei, und der Typ war stark, der hat uns sogar rauchen lassen, ist einem nicht auf die Eier gegangen.«
Er hat sich über den Teller gebeugt, und um die Nudeln von der Gabel zu ziehen, beißt er rein. Er macht nur eine Pause, wenn ihm das Zahnfleisch wehtut. Ich höre auf zu essen und sehe zu, wie er Blut, Öl und Tomate in die Serviette schmiert.
»Was ist heute Abend über dich gekommen?«
»Ich hatte Lust zu kochen, das ist über mich gekommen. Da habe ich den Kühlschrank aufgemacht und genommen, was drin war.«
Er zuckt mit den Schultern, kaut dann weiter.
»Also«, sagt er, »ist es gut oder nicht? Du sagst gar nichts.«
»Großartig«, bricht es aus mir heraus, aber ich übertreibe nicht.
»Ich frage dich nur, weil du weißt ja, ich kriege nicht viel mit, wie es riecht und schmeckt. Ich hab’s einfach so gemacht, aus der Erinnerung.«
»Das hast du sehr gut gemacht.«
»Du hast ein paar Sachen im Kühlschrank gehabt, die schlecht waren. Die habe ich weggeworfen.«
»Kann ich dich etwas fragen?«
Zwischen zwei Gabeln reckt er den Hals, um mir die Erlaubnis zu geben.
»Warum hast du nie in der Küche geholfen, als du im Zentrum warst?«
Er mustert mich, als hätte ich eine unbegreifliche Frage gestellt.
»Meinst du vielleicht, ich mache Essen für die Nutten und die Marokkaner?«
»Sie sprechen wieder von dir, in den Nachrichten«, sage ich und zeige mit dem Kopf auf den stummen Fernsehapparat.
»Mach den Ton an«, sagt er.
Die Ermittler behaupten, sie sind kurz davor, ihn zu fassen, den jungen Mörder. Die Leute aus dem Viertel schreien, sie sollen ihn auf die Piazza bringen und ihnen überlassen, dann bekäme er, was er verdient. Am wütendsten gibt
Weitere Kostenlose Bücher