Camorrista
geh zurück auf deinen Sitz«, zische ich ihm leise zu. Doch seine Augen sind trübe, wie von Eis überzogene Scheiben.
Ich bekomme seine Handgelenke nicht früh genug zu fassen, als ich die Pistole sehe. Meine Pistole.
Mit einer Hand presst er mich gegen den Sitz, der Abzug macht gerade mal klick (er wird denken, sie ist nicht geladen), doch er drückt fester. Beim zweiten Klicken zerreißt der Knall die Luft, die Scheiben beben dumpf. Die Finger des Kollegen klammern sich an den Rand des Fensters. Ich höre, wie er außen an der Tür wegsackt. Ich weiß nicht, wieso es die Windschutzscheibe nicht rausgedrückt hat und nicht mal das Glas zersplittert ist. Ich rutsche runter, bin hinter dem Steuer eingeklemmt, eine Hand an der Kehle. Vom Fenster tropft dunkelrotes Blut. Jemand schreit wie ein aufgeschrecktes Tier, schließlich lässt Cocíss mich los, macht die Beifahrertür auf und rollt über den Boden.
Der andere Kollege hat die Pistole in der Hand, dann krümmt er sich, als wäre ihm etwas heruntergefallen. Ein Schuss fetzt ihm die Haare über einem Ohr weg. Er dreht sich um sich selbst, stolpert, und seine Tritte enden im Staub.
Ich schaffe es nicht, die Tür aufzumachen, der Kollege lehnt dagegen, röchelt und stößt gurgelnd einen Fluch aus. Ich versuche, mich aus dem Fenster zu lehnen, und da ist er und starrt mich blöde an. Er schnappt nach Luft und schafft es nicht einmal, die Pistolentasche aufzubekommen.
»Lass mich raus!«, schreie ich ihn an, während diese wahnsinnig gewordene Bestie wieder schießt, mindestens zweimal.
Er fährt sich mit den Fingern über die blutige Nase, atmet, und eine große violette Blase kommt aus seinem Mund. Er versucht wegzurücken, bittet nicht um Hilfe, sagt nichts. Das Blut läuft ihm aus dem Kinnbart. Ich schaffe es, die Tür zehn Zentimeter aufzuschieben, und er klammert sich mit den Fingern an den Rand, um sich hochzuziehen.
Mit einem Sprung von der Motorhaube ist Cocíss da, mit einem Tritt schlägt er die Tür zu, quetscht die Finger des Kollegen ein. Ich werde ins Wageninnere zurückgeworfen, es fühlt sich an, als hätte ich ein glühend heißes Bügeleisen ins Gesicht bekommen.
Der Kollege brüllt, er sitzt auf dem Boden, seine Finger zerquetscht.
Lauf nach unten gerichtet, Bein gegen die Tür. Cocíss hält die Pistole mit beiden Händen, neigt den Knauf und schießt. Beim Rückstoß fletscht er die Zähne, und ihm entfährt ein gellender Schrei. Ich sehe einen Klumpen aus Blut und Haaren, ich höre das klackende Geräusch der Patronenhülse an der Karosserie, ein Knochensplitter dringt in die Kopfstütze ein. Dann springt Cocíss ins Auto, ans Steuer, wirft mir die Papiere zu und rast los wie ein Irrer.
Die Tür geht noch mal auf, und ich sehe, wie er aus dem Schloss einen roten Stummel wegmacht, an dem der Nagel noch dranhängt.
»Was hast du getan, verdammt?! Was hast du getan, verdammt?!«
Ich weiß nicht, wie oft ich das wiederhole, aber er hört mir nicht zu. Vielleicht höre ich mir nicht mal selbst zu. Ein paar Kurven, und er legt mir die Pistole in den Schoß.
Der Lauf ist glühend heiß, ich stoße einen Schrei aus, nehme aber trotzdem das leere Magazin heraus. Ich stecke das volle rein, lade durch und fange wieder an zu schreien, aber ich weiß nicht mal, ob ich irgendetwas sage.
Er zieht nach links rüber, wir müssen einem Traktor ausweichen, ich schreie ihn immer noch an, was verdammt er
getan hat, schaffe es nicht, still zu sein, und schaffe es nicht, mich ruhig zu halten. Ich ziele mit der Pistole auf ihn, aber ich kann ihm nichts tun, wenn ich nicht mit hundert Stundenkilometern gegen einen Baum rasen will.
»Halt an!«
Ich schreie, doch ich kann meine Stimme nur mit Mühe hören, in meinen Ohren habe ich einen sehr lauten Pfeifton. Ich verliere Blut (mich hat eine zurückprallende Kugel erwischt, Scheiße), doch ich weiß nicht, woher es kommt. Als ich meine Lippen betaste, fühlt es sich unter der Fingerspitze an wie feuchtes Gummi.
»Halt an, hast du verstanden?«
Ich versuche die Pistole auf ihn zu richten. Aber auch wenn ich sie mit beiden Händen festhalte, zittert sie noch.
Er wirft mir nur einen Blick zu und biegt dann in eine Seitenstraße ein. Wir fahren durch dichten Wald, es geht bergan, Zweige schlagen gegen die Windschutzscheibe, die Räder schaben am Rand des Asphalts entlang.
»Wo willst du denn verdammt noch mal jetzt hin?«
Ich verändere die Position meines Fingers, aber die Pistole will nichts davon
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