Camorrista
wissen, ruhig in meiner Hand zu liegen. Das Blut tropft mir auf die Hose.
Wir fahren an zwei Häusern aus grauem Stein vorbei. Das eine ist verfallen, das andere scheint nur verschlossen und unbewohnt. Weiter vorne sind Bänke und eine gusseiserne Pumpe mit einem Schwengel, der Hahn hat die Form eines Pferdekopfs.
»Halt an!«, sage ich noch mal zu ihm. Und diesmal tut er es.
Er fährt zwischen einen Stapel Holz und einen Karren. Das Motorgeräusch hört auf, doch das Pfeifen in meinen Ohren nicht. Ich lasse die Pistole ein Stück sinken, doch meine Finger zittern weiter.
»Was willst du denn verdammt noch mal jetzt tun?«
»Diese Dreckskarre sauber machen«, antwortet er. Und steigt aus.
Ich bleibe im Auto sitzen.
In einer Hand das Handy, in der anderen die Pistole.
Ich beobachte ihn, wie er sich auf einen Baumstumpf setzt und die Hände vors Gesicht schlägt. Ruckartig steht er auf, verpasst dem Holzstapel einen Tritt, geht dann ein paar Schritte im Kreis, die Hände im Nacken, wie ein Kriegsgefangener.
Das Handy findet kein Netz, und ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin durcheinander, wie gelähmt. Inzwischen hat Cocíss einen Eimer aufgetan, lässt ihn mit Wasser volllaufen und gießt ihn dann über die schmierigen roten Bögen des Scheibenwischers.
Er hat zwei Kollegen getötet und mir die Pistole wiedergegeben. Ich darf nicht überstürzt reagieren, und außerdem habe ich nicht die geringste Ahnung, wie ich aus der Sache rauskommen soll.
Er geht zur Pumpe, kommt zurück und gießt den Eimer wieder aus, diesmal über das Dach.
Er macht das fünf- oder sechsmal, gleiche Gesten, unbewegtes Gesicht, und sieht mich nicht einmal an. Rosa Wasser trieft vom Auto. Ich habe die Pistole, aber das scheint ihn nicht zu kümmern.
Ich hebe das Magazin auf, das auf die Fußmatte gefallen ist. Er hat zwei Kollegen getötet, und er hat sie getötet, während er unter meiner Aufsicht stand, mit meiner Pistole, und das bedeutet Suspendierung vom Dienst, ein Verfahren, das Jahre dauern wird, Karriere im Arsch.
Es bedeutet, dass ich innerhalb eines Tages mit ihm in der Scheiße versunken bin, das bedeutet es.
Er steigt wieder ins Auto, lässt die Tür offen und streckt ein Bein nach draußen ins Gras. Er dreht den Zündschlüssel um und macht sich am Autoradio zu schaffen. Er drückt irgendwo drauf, wird gleich nervös und wendet sich dann mir zu, ohne der Pistole, die ich auf ihn gerichtet habe, auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu schenken.
»Ich will Nachrichten hören. Wie geht das?«
»Du bist vollkommen verrückt … vollkommen verrückt.«
»Nachrichten, okay?«
Ich halte mir die Nase zu und zeige mit dem Lauf der Pistole auf die Scan-Taste. Mir tränen die Augen, die kleinen Buchstaben sehen aus wie Häufchen weißer Ameisen.
»Willst du hören, was sie über deine tolle Aktion sagen?«
Er bedenkt mich mit einem mitleidigen schiefen Grinsen (der zieht mich voll in die Scheiße und verarscht mich auch noch).
»Ich hab gedacht, du hättest es kapiert. Aber du hast echt einen Scheiß kapiert.«
Er zieht ein Papiertaschentuch aus der Ablage unter dem Aschenbecher. Hält es mir hin. Hält es mir sogar ans Gesicht.
Die Nachricht von der Schießerei wird zuerst von einer lokalen Station gebracht. Zehn Minuten später taucht sie in der Nachrichtenübersicht eines überregionalen Senders auf. Zwei Tote bei einem Feuergefecht.
Sie trugen Polizeiuniformen, doch den ersten Überprüfungen zufolge gehören sie nicht zu den Ordnungskräften. Ein Beamter bestätigt im Interview, dass das zuständige Revier keinerlei Sperre auf dieser Straße vorgesehen hatte.
Wir springen von einem Sender zum anderen, über den Bäumen öffnet sich ein Spalt sonnigen Himmels, und eine halbe Stunde vergeht. Ich mit der Pistole, er mit seinen Zigaretten, wir sagen kein Wort, und im Wald zwitschert es, als ob nichts wäre.
Die Identität der beiden Toten ist noch nicht bekannt. Zum Schluss mutmaßt man, dass es sich um einen Hinterhalt handelte, dessen Hintergründe mit dem organisierten Verbrechen zu tun haben: der alte Trick mit den falschen Polizisten, der allerdings in der Toskana noch nie vorher angewandt wurde.
»Hast du jetzt kapiert oder nicht?«
Cocíss zündet sich die x-te Zigarette an. Er hält sie zwischen
die Lippen geklemmt, ohne auszuatmen. Er raucht wie ein Boss, die Augen halb geschlossen, die Wangen angespannt. Wenn er raucht, sieht er aus, als wäre er fünfzig. Eher noch, als wäre er immer
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