Camorrista
zurückkomme. In einer Woche, habe ich behauptet, und ich wünschte genau wie sie, es wäre keine Lüge.
Jede Voraussage ist notgedrungen eine Lüge. Ich beobachte, wie Cocíss ein Nürnberger Rostbratwürstchen traktiert, und sehe einen Moment lang das Stück Finger vor mir, das in der Tür hängen geblieben ist. Sauber abgetrennt, bevor der Pistolenschuss das Hirn des falschen Kollegen zerfetzt hat. Er war kaum mehr als ein Junge, vermutlich nicht mal fünfundzwanzig. Ich erinnere mich nicht gut an sein Gesicht. Nur an den Spitzbart voller Blut, die violette Blase vor seinem Mund. Und an seine Augen, als er versuchte, sich von der Tür zu lösen.
An den anderen kann ich mich fast gar nicht erinnern. Nur an seine unbeholfenen Bewegungen, fast so, als würde ihn diese Uniform, die er nicht gewöhnt war, behindern. Als er zu Boden ging, war sein Gesicht schon von einem Netz aus Blut überzogen.
»Sie sind eklig. Sie sind klein und feucht und schmecken nach nichts. Und die Farbe ist auch zum Kotzen. Ich will noch ein Bier. Sag das dem mal, wenn er vorbeikommt.«
»Bitte.«
»Bitte«, fügt er hinzu und wirft die Gabel auf den Teller (nachdem er mich eine halbe Stunde lang damit genervt hat, dass ich ihm die Speisekarte übersetzen soll).
Wir müssen über verschiedene Dinge reden. Ich esse meinen Salat auf, lasse nur die Gurken in einer Soße aus Joghurt und Kräutern schwimmen und erkläre ihm mein Hauptproblem.
»Ich muss Saro Incantalupo nicht nur sehen. Ich muss auch einen Beweis dafür haben, dass er es ist.«
»Und zwar?«
»Eine Zigarette.«
»Ich weiß nicht, ob er raucht.«
»Ein Haar, ein Papiertaschentuch, ein benutztes Glas.«
Ich erklärte ihm nicht die Sache mit der DNA, versuche nur, ihm fest einzuhämmern, dass ich persönlich dieses Objekt in die Hand bekommen muss. Und dass es dann Zeit braucht, um Analysen zu machen und sicher zu sein, dass er uns nicht verarscht und uns wirklich zu Saro Incantalupo gebracht hat. Und dass er, solange wir nicht sicher sind, keinen Cent sieht.
»Und ich, wie komme ich dann zurecht?«
»Du sagst es mir, und ich kümmere mich darum. So, wie wir es gemacht haben, als du im Zentrum warst.«
»Dann bin ich dein Sklave. Scheiße, das gefällt mir nicht.«
»Meinst du vielleicht, mir?«
Er schüttelt den Kopf, bedächtig.
»Nein, so geht das alles nicht.«
Wie ich mir gedacht habe, stellt er sich stur. Ich ziehe das noch eingewickelte Päckchen aus der Tasche. Er wirft einen arroganten Blick darauf.
»Ich hoffe, ich habe mir das richtige Modell gemerkt«, sage ich und versuche die gleiche Arroganz zur Schau zu tragen. Ein Schluck Bier hilft mir dabei.
Er wickelt das Päckchen aus und erlaubt sich ein Heben der Augenbraue. Das muss mir als Dank genügen.
»Krieg ich auch eine Karte dafür? Weil, ein paar Anrufe muss ich schon machen, wenn ihr wollt, dass ich unseren Freund für euch finde.«
Ich schiebe ihm einen Umschlag mit einem Dutzend Telefonkarten über den Tisch zu.
»Die sind alle okay und sicher. Benutz jede nur einmal. Für jeden Anruf nimmst du eine neue.«
Er nickt immer noch, als sein zweites Bier kommt.
Er gießt fast das halbe Glas in sich rein, lächelt und lässt den Daumen über die Tastatur des schwarzen Handys wandern, doppeltes Display, superflach.
Auf dem Rückweg zum Hotel habe ich das Gefühl, es gibt da etwas, womit er nicht recht herausrücken will.
Dann sagt er mir, dass er sich nicht wohl fühlt. Dass diese ekelhaften Würstchen ihm nicht bekommen sind. Er sagt, er braucht was, irgendwas für den Bauch.
Wir machen uns auf die Suche nach einer Apotheke.
Ohne dass er es mir noch näher erklärt, lasse ich ihn draußen warten und gehe rein, um ihm ein Abführmittel zu kaufen.
In zwei Programmen moderieren Oben-ohne-Frauen ein Quiz auf Grundschulniveau. In einem anderen landen gerade die Alliierten in der Normandie und brüllen dabei Befehle auf Deutsch. Ich setze mich auf den Fußboden, ziehe die Schuhe aus und schalte mein Handy ein.
»Und, habt ihr sie identifiziert, die beiden Killer?«, frage ich, sobald sich D’Intrò meldet.
»Natürlich«, antwortet er. »Aber als Erstes sagen Sie mir, wo Sie sind.«
Nach einer Dokumentation über die Hauptstädte des Baltikums finde ich eine Nachrichtensendung der BBC.
»Das ist nicht wichtig. Ich habe Sie nur angerufen, um Ihnen zu sagen, dass die Operation weiterläuft. Und dass ich sie zu Ende bringen will.«
»Mit meiner Deckung?«
»Mit einer Deckung, die
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