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Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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funktioniert. Aber die haben immer gewusst, wo sich unser Mann befindet. Sie haben dort unten einen Maulwurf, Dottor D’Intrò.«
    »Das schließe ich aus. Es ist offensichtlich, dass es Mastronero gelungen ist, sich mit irgendeinem aus dem Clan in Verbindung zu setzen.«
    »Das ist nicht möglich.«
    »Doch. Die werden ihm eingeredet haben, dass sie kommen, um ihn aus der Scheiße rauszuholen.«
    »Nein, Cocíss hat niemanden kontaktiert. So dumm ist er nicht. Er würde keinen solchen Fehler begehen.«
    »Wäre er wirklich intelligent, dann wäre er nicht der, der er ist. Überschätzen Sie ihn nicht.«
    »Sie sind doch persönlich gekommen, um mir den Rat zu geben, ihn nicht zu unterschätzen.«
    »Wie auch immer. Jetzt gebe ich Ihnen den Rat, ihn aufmerksamer zu überwachen. Und mir sofort zu sagen, wo Sie sind.«
    »Tut mir leid, Dottor D’Intrò, aber das halte ich für keine gute Idee.«
    »Sie hören noch immer nicht auf meine Ratschläge.«
    »Ich mache weiter und rufe Sie wieder an, sobald ich Ergebnisse vorweisen kann.«
    »Viel Glück.«
    Er macht eine Pause, die mich frösteln lässt. Es ist ein Urteil, auch wenn es nicht ausgesprochen wird. Er legt auf, und ich schalte sofort das Handy aus, nehme die Karte heraus und werfe alles auf den Boden. Verdammte Scheiße.
    Sobald ich auf dem Bett liege, kommt es mir einleuchtend vor, dass D’Intrò recht hat. Ich hätte nicht so mit ihm sprechen dürfen. Ich stehe auf, schlüpfe in die Schuhe und gehe raus auf den Gang. Im Frühstücksraum deckt ein Mädchen mit Mandelaugen die Tische für morgen. Sie hat wunderschönes Haar, glatt und schwarz wie der Himmel an einem Frühlingsabend. Wir lächeln uns an, und ich gehe weiter
zum Zimmer von Cocíss, aus dem sehr leise ein Rap oder etwas in dieser Art dringt. Ich will schon klopfen, da höre ich das Rauschen der Wasserspülung. Ich glaube, er ist damit beschäftigt, das Kokain zu säubern, das er verschluckt hat, und ich lege keinen Wert darauf, ihn zu stören, während er in der Scheiße wühlt. Es reicht mir zu wissen, dass nicht irgendwas in seinem Magen geplatzt ist.
     
    Ich gehe zurück in mein Zimmer und stecke meine Karte ins Handy. Während ich im Bad bin und mich für die Nacht fertig mache, höre ich einen ganzen Schwung von Nachrichten hereinkommen. Es erinnert mich an mein früheres Leben. Leute, die mich erreichen wollen. Die mich sprechen wollen.
    Ich komme aus dem Bad, schalte das Handy aus, ohne irgendetwas zu lesen, und nehme die Karte wieder heraus.
    Ich schlüpfe unter das Laken und beschließe einzuschlafen, ohne das Licht zu löschen.
    Das letzte Mal, als ich das gemacht habe, war ich nicht mal zehn Jahre alt, glaube ich.
    Und dachte vielleicht noch, ich hätte Superkräfte.
     
    Sie haben mich gefunden, als ich schon die Gräber der beiden Mädchen geöffnet hatte. D’Intrò sagt, er hat mich gesehen, als ich versuchte, zwei dicke Batterien in ihre Münder zu stecken. Ich weiß, dass es stimmt, und er zeigt mit dem Finger auf mich. Draußen ist das ganze Viertel auf den Beinen. Ich stehe auf, von der letzten Bank, während ich in die wütenden Gesichter von Leuten sehe, die sich ans Fensterbrett gekrallt haben und mich lynchen wollen.
    »Sie sind geladen!«, schreie ich verzweifelt und zeige der ganzen Klasse die beiden dicken Batterien, die ich in der Hand halte.
    »Stimmt nicht!«
    »Sie sind geladen!«, schreie ich noch einmal. Niemand glaubt mir. »Ich bin das elektrische Mädchen.«

    »Das bist du nicht mehr. Du hast keine Superkräfte«, beschuldigt mich D’Intrò. »Die Batterien nützen nichts!«
    Eine Fensterscheibe geht zu Bruch, ich werde wach und habe das Geräusch noch in den Ohren.
     
    Es hat wenig Sinn, direkt nach Hamburg zu fahren, bevor wir nicht genau wissen, wohin es gehen soll und wie wir vorgehen wollen. Je näher wir dem Ziel kommen, desto mehr müssen wir planen.
    Wie Reja geraten hat, meiden wir kleine, abgelegene Orte, auch weil in diesen Teil Deutschlands sicherlich keine Massen italienischer Touristen kommen. Die größte Stadt in der Nähe von Hamburg ist Bremen, wohin man von München aus einen halben Tag mit dem Zug braucht. Cocíss will nichts davon wissen zu fliegen, und ich will kein Auto mieten, das nur ich fahren könnte. Er platzt damit heraus, dass bei seinen Papieren auch ein Führerschein sein müsste, doch ich versuche ihm zu erklären, dass es so nicht läuft. Er hat nur einen falschen Ausweis, der dazu dient, ihn vorübergehend zu schützen.

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