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Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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Block K in der Klasse blieb und nicht allzu viel Scheiße baute. Und zweimal hat sie mich versetzt.«
    »Bis zu welchem Alter bist du zur Schule gegangen?«
    »Bis zur dritten Klasse. Dann hab ich angefangen zu arbeiten.«
    »Wo hast du gearbeitet?«
    »In den Häusern. Als Aufpasser. Ich habe zwanzigtausend Lire für eine Schicht von sechs Stunden gekriegt, und mit zehn, das wusste ich, würde ich einen Motorroller bekommen. Einen gebrauchten. Aber mit einem Roller konnte ich in die Stadt fahren, ein paar Leute sehen, meine Touren drehen. Ich hab keine Zigaretten mehr.«
    Schließlich landen wir auf der Terrasse der Bar, er mit Zigarette, ich mit Zeitung. Ich habe keinen Kopf, irgendetwas zu lesen. Ich will nur, dass wir normal wirken.
    »Wohin fliegen wir?«
    »Nach Deutschland. Aber nach München.«
    »Warum?«
    »Weil wir dann aus Italien raus sind. Und außerdem ist das schon mal die richtige Richtung.«
    »Kannst du Deutsch sprechen?«
    »Ich schlage mich so durch.«
    »Du kannst eine Masse Sachen. Bist du schon mal da gewesen?«
    »In Deutschland? Ja, aber in einer anderen Stadt. In Tübingen.«
    »Und wieso?«
    »Ich war an der Universität.«
    »Wofür?«
    »Um zu studieren natürlich.«
    »Hast du viele Jahre studiert?«

    »Ziemlich viele.«
    »Und was hast du studiert?«
    »Philosophie.«
    Er wirft die Zigarette auf den Boden. Bläst nachdenklich den Rauch nach oben.
    »Und worum geht’s bei Philosophie?«
    »Sie beschäftigt sich mit Problemen«, sage ich.
    »Die haben wir alle, Probleme.«
    »Genau.«
    »Und dann löst sie die Probleme?«
    »Sagen wir mal, sie findet sie. Manchmal ist das schon viel.«
    »Na ja, ich hab einen Bruder, der ist Mechaniker. Er findet raus, was kaputt ist, aber dann repariert er es auch.«
    »Die Welt ist kein Vergaser. Sie ist komplizierter.«
    »Hast du den Doktor gemacht, in Philosophie?«
    »Nein, ich habe vorher aufgehört.«
    »Und warum?«
    »Probleme«, antworte ich ihm.
     
    »Der Stoff«, sage ich zu ihm, bevor wir zum Check-in gehen.
    »Alles in Ordnung«, antwortet er mir.
    »Hast du ihn weggeworfen? Und wohin?«
    »Ich hab ihn nicht weggeworfen.«
    »Hör mal, wir können keinen Ärger gebrauchen.«
    Ich beäuge kritisch die Schlange hinter uns. Mir fällt ein untersetzter Typ mit einem langärmligen Baumwollshirt und einer grauenhaften dicken Goldkette ins Auge.
    »Nerv mich nicht. Es ist alles in Ordnung, sage ich dir.«
    »Wo hast du das Zeug hingetan?«
    »Du bist doch Polizistin, oder? Weißt du, wie die Neger das machen?«
    Er lächelt, ich nicht. Ich musste ein paar Mal mit der Bürste in der Klosettschüssel herumwühlen, nachdem ich einen von denen, die er Neger nennt, zur Toilette begleitet hatte, weil er sich unter Darmkoliken krümmte.

    Jetzt verstehe ich, was er eine Viertelstunde auf der Toilette gemacht hat. Ich schüttle den Kopf und sehe über eine kleine Gruppe von Leuten hinweg, die irgendjemanden begrüßt. Ich konzentriere mich auf einen Mann mit aschblonden, langen und ein wenig fransigen Haaren, rotes Baumwellhemd und dunkle Jeans mit weißen Nähten. Mir gefällt nicht, wie er herumschlendert, es kommt mir vor, dass er nur so tut, als wartete er auf jemanden.
    Cocíss lassen sie den Gürtel und eine Kette abnehmen. Sie fragen ihn, ob er ein Handy hat, doch er zuckt nur mit den Schultern. Er baut sich vor dem Kontrollpersonal mit der misstrauischen Miene von jemandem auf, der Angst hat, bestohlen zu werden. Ich beobachte ihn, und mein Herz schlägt bis zum Hals, doch alles geht gut. Unser Gepäck passiert die Kontrolle ohne Probleme. Ich denke an meine Beretta, die jetzt auf dem Grund des Arno liegt, und die Parabellum-Projektile, die sie in den Leichen der beiden falschen Polizisten finden werden. Die gebrauchen nur wir. Und welch ein Zufall, ich werde den Verlust meiner Pistole anzeigen und das Fehlen eines ganzen Magazins mit Projektilen erklären müssen.
    Wir suchen uns zwei abgelegene Sitze. Das Boarding beginnt in einer Dreiviertelstunde, also gehören wir zu den Ersten. Cocíss schielt sofort auf die Zigarettenstangen im Duty-Free-Shop. Ich gebe ihm ein paar Scheine und ermahne ihn, den Ausweis und die Bordkarte in eine sichere Tasche zu stecken. Er zieht sie heraus, und sie sind schon zerknittert. Ich vergleiche sie mit meinen und frage ihn, ob er sehen kann, dass unsere Nachnamen gleich sind.
    »Das schon, aber ich weiß nicht, was unsere Nachnamen sind.«
    »Mezzanotte. Ich bin Rosa Mezzanotte und du bist Giovanni

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