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Camp Concentration

Camp Concentration

Titel: Camp Concentration Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas M. Disch
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Pelion.
    Zuviel! Zuviel! Und wozu das alles? Wozu dient diese grandiose Ungeheuerlichkeit? Schalten Sie morgen wieder ein!

    9. Juni
    O Gott, wieder eins von jenen ›morgen‹, die mich mir selbst immer mehr entfremden! Ich fühle mich hohl wie eine Maske aus Pappmaché, ein grinsendes, blinzelndes, faltiges Etwas. Aber die Wahrheit, die volle Wahrheit, ist vielleicht, daß die Maske gar nicht hohl ist, sondern daß ich nicht hinter sie blicken will, nicht das irre Flackern des Bildes, Bildes, Bildes sehen will, das vom Unterbewußtsein gesendet und vom defekten Bewußtsein empfangen wird. Ich fühle mich schlecht, dumm und geschlagen. Ich bin krank.
    Ich hatte Besuch (Mordecai, Meade) und ein paar Zeilen von George W., aber ich habe mich unter dem Vorwand, der Selbstbesinnung zu bedürfen, abgekapselt. Wenn ich nicht mehr ich bin, wer bin ich dann?
    Ich habe das lebenspendende Sonnenlicht zu lange entbehren müssen. Das ist die Erklärung.
    Und ich kann nicht mehr zusammenhängend denken. Ahimé.

    10. Juni
    Danke, es geht mir besser. Wirklich, ich fühle mich ganz wohl. Jetzt bin ich wieder fähig, der Niederlage gute Seiten abzugewinnen.
    Tatsachen:
    Wieder bei H. H. Da ich mich inzwischen an die kalkweißen Gesichter der Gefangenen und Wärter gewöhnt habe, kommt mir die Höhensonnenbräune seines Gesichts (es erinnert mich an Toast!) erst recht wie ein Verstoß gegen die natürliche Ordnung vor. Wenn das Gesundheit ist, soll Krankheit mich verderben!
    Wir sprachen über dies und jenes. Er lobte die Faktorizität (sic!) meines Tagebuchs, tadelte aber meine gestrige Eintragung. Sie sei zu subjektiv. Sollte ich wieder einmal in eine solche Stimmung verfallen, könnte ich mir vom Wärter jederzeit ein Beruhigungsmittel geben lassen. Wir können es uns nicht leisten, kostbare Zeit zu vergeuden, stimmt’s?
    Und so ließ er die gutgeschmierten Ventile seiner Banalität unaufhörlich auf- und zuklappen und bewegte sich auf ausgetretenen Pfaden ständig im Kreis - bis er plötzlich sagte:
    »Sie haben also Siegfried kennengelernt.«
    »Siegfried?« Vielleicht ein Spitzname für Mordecai? Er blinzelte mir zu. »Dr. Busk.«
    »Wieso Siegfried?« fragte ich verwirrt.
    »Sie wissen doch - die ›Siegfried-Linie‹, der Westwall. Uneinnehmbar. Ich habe Busk für dieses Projekt angefordert, weil ich überzeugt bin, daß sie kalt wie ein Fisch ist. Normalerweise wären Frauen in einer Umgebung wie dieser fehl am Platz. Ich meine, weil sie mit einer Horde geiler GIs arbeiten müßten - und noch dazu mit etlichen Farbigen. Aber bei Siegfried spielt das keine Rolle.«
    »Sie sprechen wohl aus Erfahrung?«
    »Armeehelferinnen!« sagte Haast und schüttelte den Kopf. »Es gibt welche, die können nicht genug davon kriegen, und andere, die ...« Er beugte sich zu mir und sagte vertraulich: »Schreiben Sie das nicht in Ihr Tagebuch, Sacchetti. Die Busk hat noch keinen drübergelassen. Tatsache!«
    »Nicht möglich!«
    »Verstehen Sie mich nicht falsch - Siegfried leistet ausgezeichnete Arbeit. Sie versteht ihr Geschäft besser als andere, und sie würde sich nie durch Gefühle davon abhalten lassen, ihre Pflicht zu tun. Wissen Sie, die meisten Psychologen neigen zu Sentimentalität - sie wollen den Menschen helfen. Die Busk nicht. Wenn sie überhaupt eine schwache Seite hat, dann ist es ihr Mangel an Vorstellungskraft. Ihre Denkweise ist manchmal etwas beschränkt ... zu konventionell. Verstehen Sie mich nicht falsch - ich respektiere die Wissenschaft durchaus ...«
    Ich nickte. Ich verstand ihn keineswegs falsch.
    »Ohne die moderne Wissenschaft hätten wir keine Strahlentechnik, keine Computer, kein Krebiozen, keine Mondflüge. Aber die Wissenschaft ist nur eine von vielen Möglichkeiten, den Dingen auf den Grund zu kommen. Natürlich gestatte ich der Busk keine direkte Auseinandersetzung mit den Jungs ...« (so nennt Haast seine Versuchskaninchen) »... aber ich glaube, sie spüren ihre Feindseligkeit. Zum Glück haben sie dadurch noch nichts von ihrem Enthusiasmus eingebüßt. Das Wichtigste ist, und darüber ist sich sogar die Busk klar, daß man sie ihren eigenen Kurs steuern läßt. Sie müssen ihr bisheriges Denken aufgeben, neue Wege suchen, auf Forschungsreise gehen.«
    »Womit ist denn die Busk nicht einverstanden?«
    Er wurde wieder vertraulich, und um seine Augen erschienen die verästelten, braunen Blinzelfältchen. »Warum sollen Sie es eigentlich nicht von mir erfahren, Sacchetti? Früher oder später hätte es

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