Camus, Albert
Spartakusaufstand am Ende der antiken Welt, ein paar Dutzend Jahre vor Beginn der christlichen Ära, ist in dieser Hinsicht beispielhaft. Als Erstes muss man festhalten, dass es sich um einen Aufstand von Gladiatoren handelt, d. h. von Sklaven, die zum Kampf Mann gegen Mann bestimmt und dazu verurteilt waren, zur Ergötzung ihrer Herren zu töten oder getötet zu werden. Mit siebzig Mann begann diese Revolte, um schließlich mit einem Heer von siebzigtausend Aufständischen zu enden, die die besten römischen Legionen zerschmettern, durch Italien ziehen und gegen die Ewige Stadt selbst marschieren. Dennoch hat diese Revolte, wie André Prudhommeaux (in ‹La Tragédie de Spartacus›, Cahiers Spartacus) bemerkt, der römischen Gesellschaft keinen neuen Grundsatz gebracht. Der Aufruf von Spartacus beschränkt sich darauf, den Sklaven ‹gleiche Rechte› zu versprechen. Dieser Übergang von der Tatsache zum Recht, den wir in der Analyse der ersten Bewegung der Revolte festgestellt haben, ist der einzige logische Gewinn, den man beidiesem Stadium der Revolte verzeichnen kann. Der Unbotmäßige wirft die Knechtschaft ab und behauptet seine Gleichheit mit dem Herrn. Er will selber Herr sein.
Der Spartakusaufstand beleuchtet in seinem ganzen Verlauf diese Forderung. Die Sklavenarmee befreit die Sklaven und liefert ihnen ihre ehemaligen Herren als Knechte aus. Nach einer freilich zweifelhaften Überlieferung hätte sie zwischen mehreren hundert römischer Bürger Gladiatorenkämpfe organisiert und auf die Tribüne die Sklaven gesetzt, die vor Freude und Erregung schrien. Menschen töten führt jedoch zu nichts anderem, als ihrer immer mehr zu töten. Um ein Prinzip zum Triumph zu führen, muss ein Prinzip vernichtet werden. Die Sonnenstadt, von der Spartakus träumte, hätte sich nur auf den Ruinen des ewigen Roms, seiner Götter und seiner Einrichtungen erheben können. Um sie aufzurichten, marschiert die Spartakusarmee in der Tat gegen Rom, das entsetzt war vom Gedanken, für seine Verbrechen bezahlen zu müssen. Jedoch in diesem entscheidenden Augenblick, die heiligen Mauern in Reichweite, bleibt die Armee stehen und flutet zurück, als wiche sie vor den Prinzipien, den Einrichtungen, der Stadt der Götter zurück. Wäre diese zerstört, was an ihren Platz setzen, abgesehen von der wilden Gier nach Gerechtigkeit, der verletzten Liebe, die diese Unglücklichen bis dahin ergrimmt und aufrechterhalten hatte? 29 Auf jeden Fall zieht sich die Armee kampflos zurück und beschließt in einer seltsamen Regung, sich an den Ursprungsort der Sklavenaufstände zu begeben, den langen Weg ihrer Siege in umgekehrter Richtung zurückzulegenund nach Sizilien zurückzukehren. Wie wenn diese Enterbten, fortan allein und entwaffnet, vor den großen Aufgaben, die sie erwarten, entmutigt vor dem zu erstürmenden Himmel, zurückkehrten in den reinsten und wärmsten Bezirk ihrer Geschichte, zur Erde ihrer ersten Schmerzensschreie, wo es zu sterben leicht und gut war.
Nun beginnen Niederlage und Martyrium. Vor der letzten Schlacht lässt Spartakus einen römischen Bürger kreuzigen, um seine Männer über das Schicksal zu belehren, das sie erwartet. Während des Kampfes versucht er unaufhörlich in einer Regung der Wut, worin ein Symbol zu sehen man nicht verfehlen wird, an Crassus heranzukommen, der die römischen Legionen befehligt. Er will zugrunde gehen, aber im Kampf Mann gegen Mann mit dem, der in diesem Augenblick alle römischen Herren vertritt; er ist zu sterben bereit, aber in höchster Ebenbürtigkeit. Er erreicht Crassus nicht, die Prinzipien kämpfen aus der Ferne, und der römische General hält sich abseits. Spartakus stirbt, wie er es gewollt hat, aber unter den Streichen von Söldnern, Sklaven wie er, die ihre Freiheit mit der seinen töten. Für den einen gekreuzigten Bürger richtet Crassus Tausende von Sklaven hin. Die sechstausend Kreuze, die nach so viel gerechten Aufständen die Straße von Capua nach Rom säumen, beweisen der Sklavenmasse, dass es keine Gleichberechtigung gibt in der Welt der Macht und dass die Herren den Preis ihres eigenen Blutes mit Wucherzinsen berechnen.
Das Kreuz ist auch die Marter Christi. Man kann sich vorstellen, dass er wenige Jahre später die Strafe des Sklaven auf sich nimmt, nur um diesen furchtbaren Abstand zu verringern, der künftig die gedemütigte Schöpfung vom unerbittlichen Angesicht des Herrn trennt. Er tritt dazwischen und erleidet seinerseits die äußerste Ungerechtigkeit,
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