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Camus: Das Ideal der Einfachheit. Eine Biographie (German Edition)

Camus: Das Ideal der Einfachheit. Eine Biographie (German Edition)

Titel: Camus: Das Ideal der Einfachheit. Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Radisch
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Büchern so entfernt, als wären sie das Werk eines anderen.» [131] Sartre schreibt an Beauvoir: «Alles, was ich in den Jahren zuvor gelernt, geschrieben habe, erscheint nicht mehr gut, nicht einmal so, als hätte es einen Inhalt.» [132] Und Camus notiert wenige Tage vor Hitlers Einmarsch in Paris trotzig: «Es gibt kein Schicksal, das nicht durch Verachtung überwunden werden kann». [133]
    In der zweiten Juniwoche fahren keine Züge mehr nach Paris. Die letzten Regierungsmitglieder verlassen die Stadt zu Fuß und mit Karren. In abgelegenen Schlössern auf dem Land kommen sie notdürftig unter, bevor sie sich in Tours zur Beratung zurückziehen. Am Freitag, dem 14 . Juni, nimmt der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B von Bock am Arc de Triomphe die Siegesparade ab. Am Sonntag, dem 16 . Juni, bildet Marschall Pétain eine neue Regierung. Am Montag um 13  Uhr verkündet er der Nation, die Kampfhandlungen würden eingestellt. Frankreich verpflichtet sich, alle Flüchtlinge, die im Land Schutz gesucht hatten, an Deutschland auszuliefern. Am Samstag, 22 . Juni, wird das Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet. Frankreich ergibt sich. Der Krieg mit Deutschland ist beendet. Am Sonntag besucht Hitler in Begleitung von Arno Breker und Albert Speer in den frühen Morgenstunden das ausgestorbene Paris. Hitler vor dem Eiffelturm. Hitler auf den Champs-Élysées. Camus schreibt an Yvonne: «Das Leben in Frankreich bedeutet von jetzt an die Hölle für den Geist». [134] In dieser Hölle wird er seine Bücher veröffentlichen und in einem der wichtigsten Verlage arbeiten.
    Die letzten Mitarbeiter des
Paris
-
Soir
verlassen die Stadt zwischen dem 10 . und 12 . Juni. Die Redaktion befindet sich inzwischen in Clermont-Ferrand. Camus kommt im Auto nach, im Gepäck das fertige Manuskript des
Fremden
. Es ist ein Frieden mit Lebensmittelkarten und Schwarzmarkthandel. Camus glaubt zu ersticken, raucht Kette, spielt mit dem Gedanken, zu Fuß nach Marseille zu laufen und ein Schiff nach Afrika zu nehmen, und teilt ihn sowohl Francine als auch Yvonne mit. Züge und Busse fahren nicht mehr. Das Benzin ist knapp.
    In Clermont gibt es ein Irrenhaus mit über tausend Kranken. Einer von ihnen schreit den ganzen Tag über. Camus sieht in diesem Haus «den Erdball in verkleinerten Maßstab». [135] Das Eingeschlossensein unter Kranken wird zur Ursituation des Romans
Die Pest
werden, der langsam in ihm entsteht. An den Abenden und im Morgengrauen schreibt er in einem provisorisch eingerichteten Hotelzimmer, das er sich mit einem Kollegen teilt, weiter an seinem Essay über das Absurde.
    Frankreich bricht in zwei Teile, zwischen denen zunächst keine Verbindung besteht. Wer von der besetzten Zone im Norden in die freie Zone im Süden reisen will, muss einen von den deutschen Behörden ausgestellten Ausweis bei sich führen. Reisen nach Paris werden selten genehmigt. Auf dem Eiffelturm flattert die Hakenkreuzfahne. Die in der Hauptstadt verbliebenen Zeitungen unterstehen der deutschen Propaganda.
    In Clermont-Ferrand, das in der freien Zone liegt, kann man die Deutschen im Alltag manchmal vergessen. Nicht vergessen kann man jedoch den Zusammenbruch aller Institutionen und der gesamten Infrastruktur – die Niederlage, die jeden lähmt und verzweifeln lässt.
    Niemand begreift in diesen Wochen, wie es dazu kommen konnte. Der greise Marschall Pétain erscheint den Franzosen jetzt wie ein Retter. Am 17 . Juni hält er eine Rede, in der er unter anderem die «Atmosphäre der Genusssucht» für diesen Untergang verantwortlich macht. Am 10 . Juli löst die Nationalversammlung sich selbst auf. 85  Prozent der Abgeordneten stimmen dafür, die Verantwortung zur Bildung einer neuen Verfassung allein in die Hände des Marschalls zu legen. Das ist das Ende der Dritten Republik. Das Frankreich, in dem aus dem Kind einer mittellosen Analphabetin ein Camus werden konnte, gibt es von diesem Augenblick an nicht mehr.

Die Heirat
    «Erwarte nichts und lebe, wie es sich gehört», schreibt Camus in diesen Wochen an Francine Faure, die in Oran noch immer als Lehrerin arbeitet und bei ihrer Mutter wohnt. Die Familie drängt auf eine baldige Heirat. Camus scheint das wenig zu bedeuten. Er korrespondiert weiterhin mit mehreren Geliebten gleichzeitig, rühmt sich vor Yvonne, zum ersten Mal in seinem Leben für drei Monate keine Frau angerührt zu haben.
    Er lebt allein mit einem zugelaufenen Hund, den er Blaise Blatin nennt, trägt in zwei Koffern seine

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