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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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schrie da Armida und griff sich auch eins der Messer vom Tisch – »Niemals mit Messern auf dem Tisch Streit anfangen«, sagte Großvater für sich – »sagt, was ihr wollt, aber sagt es mit Worten, es reicht mit den Handgreiflichkeiten«, und sah dabei auch Großmutter fest an, »sonst richte ich hier ein Blutbad an.«
    Großmutter machte eine Handbewegung, und auf der Stelle trat Ruhe ein. Dann sagte sie leise: »Sag uns nur, von wem das Kind ist.«
    »Ich war’s, ich war’s, es ist mein Kind«, rief Onkel Temistocle wieder.
    »Sei still!«, herrschte Großmutter ihn an. »Von wem ist dieses Kind?«
    Da überlegte Armida kurz, dann sagte sie noch einmal entschlossen und resigniert: »Das Kind ist von Pericle, ich schwöre es bei allen Heiligen …«
    »Schweig, du Frevlerin!«, und Großmutter bekreuzigte sich: »Lass meinen Sohn und die Heiligen da raus!«
    »… wir haben es gezeugt«, fuhr Armida im gleichen Tonfall fort, »wir haben es gezeugt, wie die Bienen es machen, zusammen mit all seinen anderen Geschwistern, in jener Nacht, als er den Priester von Comacchio erschlug«, und sie sprach – das müssen Sie mir glauben – in vollkommenem Ernst. »Ich schwöre es bei allen Heiligen.«
    »Du bist ja verrückt«, sagte Großmutter und bekreuzigte sich noch einmal. »Verrückt und eine Sau! Und bete auch du zum Herrn, wie ich es ab heute und immerdar tun werde, dass Pericle wirklich tot ist – verflucht möge ich sein – und dass er nie mehr wiederkommt … Denn wenn er bei seiner Rückkehr …« Und Großmutter – die bis zum Abend zuvor bei der Andacht im Dorf immer gebetet hatte: »Herr, lass meinen Pericle nach Hause kommen« –, von diesem Abend an und ihr ganzes weiteres Leben lang betete sie: »Herr, lass ihn nie mehr wiederkommen, schenk ihm Frieden im Jenseits.«
    Das Urteil war gefallen: absolute Verbannung. Großmutter schickte sofort den Karren hinüber zu Onkel Temistocle, um die Sachen von Armida und ihren Kindern zu holen. Sie stellte sie unter Kuratel, im Podere 517 der Peruzzi. – »Das hätte sie sich auch früher überlegen können«, sagten Tante Clelia und Tante Zelinda zueinander: »Wenn die Ochsen davongelaufen sind …« – »Wir sind barmherzige Christen, also bleibst du hier bis zur Niederkunft, aber dann fort mit dir und deinem Bastard. Für immer fort und den Peruzzi aus den Augen«, sagte Großmutter.
    Armida schwieg und rührte sich nicht.
    »Die anderen Kinder bleiben aber hier« – Armida erbleichte –, »die Kinder sind Sache der Peruzzi«, und so haben sie es auch gemacht, sie nahmen ihr alle Kinder weg. Nur Menego, den Kleinsten, den ließen sie ihr, aber nur weil Tante Santapace sich eingeschaltet und sie angefleht hatte: »Ihr könnt ihr doch nicht auch den Kleinen wegnehmen, Mama. Den Kleinen lasst ihr.« Die anderen aber nahmen sie ihr alle weg und verteilten sie auf die verschiedenen Peruzzi-Familien.
    Wie bitte, was sagen Sie? Das durften sie nicht?
    Sicher durften sie das nach dem Gesetz nicht, das weiß ich auch. Aber da hätte man einen Anwalt gebraucht. Und wie viele Dinge, die nach dem Gesetz nicht zulässig wären, werden doch getan, von denen, die die Macht haben auf dieser Welt – von Italien ganz zu schweigen?
    Armida fehlte nur noch der feuerrote Buchstabe auf der Stirn. Sie konnte nicht mehr ausgehen oder ins Dorf. Weder zur Andacht noch sonntags in die Messe und auch nicht an Weihnachten. Im Haus eingesperrt, wenn jemand kam. Man durfte sie nicht sehen. Und wenn ihr wer begegnete – vor allem die Frauen –, schimpften sie sie gleich »Hure«. Wenn dagegen im Dorf zufällig jemand fragte: »Hat die Kuh schon gekalbt?«, kam uns Peruzzi nicht einmal mehr in den Sinn, dass die schwarzweiß gescheckte Venezia gemeint sein könnte, die auch ein Junges erwartete, wir glaubten sofort, sie hätten das auf Armida bezogen. Und das Gefühl der Schande durchdrang uns alle: »Verfluchte dreckige Schlampe.« Nur Großvater, wenn er ihr allein im Haus begegnete, sagte zärtlich »Mädel« zu ihr. Nur er und Tante Santapace.
    Armida, sie ging allein über die Felder, mit ihrem dicken Bauch und ihren Bienenhäusern. Auch die Kinder hielten sie bei sich und ließen sie nicht mit ihr gehen. »Aber was hast du gemacht, Mama, was hast du nur gemacht!«, weinte Adria in ihren Armen. »Verzeih mir, Kind, verzeih mir«, sagte Armida. Eines Tages, als Tante Santapace sie vom Fenster im oberen Stock unten auf der Tenne sah, wie sie reglos vor dem Brunnen stand, der an

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