Canard Saigon (German Edition)
Leckerbissen.“
„Wohin?“, fragte ich verwirrt.
„Komm, wir fahren schnell nach Saigon. Ich besorge dir die feinste Spezialität, die du je gegessen hast“, schwärmte Horst. Ich war skeptisch.
„Ich weiß nicht, Horst, wir sitzen hier so gemütlich beisammen. Ich weiß nicht, ob ich noch nach Saigon will.“
„Hey Junge, komm mit“, drängte Horst. „Ich verspreche, du wirst es nicht bereuen. Hab ich dir jemals zu viel versprochen?“
Ich hatte zwiespältige Gefühle, wollte einerseits bei meiner Runde bleiben, verspürte aber auch einen gewissen Tatendrang und Neugier.
„Na, wenn ich an die Frisörnummer gestern denke, ich weiß nicht“, zierte ich mich.
„Und? Scheiß dir nicht in die Hose, war doch Weltklasse, die Nummer“, versuchte Horst meinen Einwand zu entkräften. Er nahm mich wieder fest an der Schulter und lenkte mich Richtung Ausgang.
„Komm schon, Charles, wir fahren nach Saigon.“
„Aber nicht lange. Wir holen uns etwas zu essen, dann fahren wir gleich wieder zurück.“
Mein Widerstand schmolz dahin.
„Alles klar, Charles, ich habe auch nicht vor, mir die Nacht um die Ohren zu schlagen. Ich will auch nur etwas essen.“
Am Ausgang der Kantine ließ er mich los und drehte sich um. Er gab Albert Hoffmann ein Zeichen. Albert stand auf und gesellte sich zu uns.
„Wo fahren wir überhaupt hin? Und womit?“
„Alles organisiert, Junge, folge einfach dem Meister“, sagte Horst.
Wir marschierten zu unserer Unterkunft. Ich staunte nicht schlecht, als wir einen Jeep hinter dem Haus ansteuerten. Horst hatte das Fahrzeug im Laufe des Tages organisiert. Albert setzte sich ans Steuer und ich schwang mich auf die hintere Sitzreihe. Horst verschwand für einige Minuten in der Unterkunft. Als er wiederkam, brauste Albert los.
Der Fahrtwind pfiff mir um die Ohren. Ich empfand die Situation als irgendwie seltsam. Ich kannte meine zwei Kameraden erst seit ein paar Tagen und wusste nicht einmal, ob wir Freunde waren. Ich hatte Albert das Leben gerettet. Seither vereinnahmte mich Horst mit seiner Dankbarkeit, so dass ich kaum zum Nachdenken kam. Ich hatte solche Menschen noch nie kennengelernt. Sie hielten zusammen wie Pech und Schwefel. Ihre gemeinsame Vergangenheit hatte sie zusammengeschweißt. Aber sie sprachen nicht darüber. Und dass sie gemeinsam bei der SS waren, ließ eine böse, dunkle Vergangenheit erahnen. Horst, das Sprachrohr der beiden Freunde, hatte eine Art, die auf mich abstoßend und gleichzeitig anziehend wirkte. Ich fühlte mich von ihm überfahren. Gleichzeitig schmeichelte mir seine überschwängliche Zuneigung, und irgendwie fühlte ich mich in ihrer Gesellschaft wohl. Die zwei Deutschen waren für jeden Spaß zu haben, und wir amüsierten uns köstlich. Zum Feind wollte ich aber keinen der beiden haben.
Albert kurvte mit flottem Tempo durch Cholon. Zielsicher steuerte er den Jeep durch die verwinkelten Gassen. Wir fuhren in die Nähe des Saigon-Flusses, etwas abseits vom Hafen. In dieser Gegend war ich noch nie gewesen. Kaum beleuchtete, heruntergekommene Häuserfronten bildeten ein gespenstisches Spalier. Cholon hatte ich bisher nur von seiner schillernden, pulsierenden Seite kennengelernt. Dieses Viertel war nahezu menschenleer. Albert bremste abrupt ab. Horst und ich stiegen aus dem Jeep und Albert brauste davon. Ich sah Horst fragend an.
„Albert hat noch etwas zu erledigen, er kommt gleich nach“, sagte Horst.
Ich sah mich um. Wo zum Teufel waren wir hier? Ich konnte weder ein Leuchtschild eines Restaurants noch einer Bar erkennen. Es gab keine Straßenbeleuchtung, nicht einmal aus den Fenstern der umliegenden Häuser fiel Licht. Der modrige Geruch des nahen schlammigen Flusses lag über dem Viertel. Wir standen vor einem einstöckigen Gebäude. Links und rechts neben der Eingangstür flackerten zwei Fackeln. Aus einem Fenster des ersten Stockwerks drang ein Hauch von rotem Licht. Die spärliche Beleuchtung verstärkte den gespenstischen Eindruck dieser Gegend. Wieder einmal war ich verwirrt. Warum brachte mich Horst in diesen gottverlassenen Teil der Stadt?
„Charles, wir sind da“, sagte Horst und ging auf die zwei Fackeln zu. Ich folgte ihm. Im unruhigen Lichtschein bemerkte ich, dass Horst seine Pistole umgeschnallt hatte. Jetzt wusste ich, warum er in Arnaultville noch schnell in die Unterkunft geeilt war. Cholon war nicht ungefährlich in diesen Tagen. Ich hatte von vermehrten Zwischenfällen gehört, bei denen es zu Überfällen von Viet
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