Canard Saigon (German Edition)
krachten auf die Stellungen der Franzosen ein, die aber nur für den Schutz vor leichten Granatwerfern ausgerichtet waren. Mit dem darauffolgenden Angriff der Viet Minh musste die Stellung Beatrice aufgegeben werden. Auch Claudine, also meine Stellung, und das Hauptquartier erlitten schwere Verluste. Die Franzosen wurden für den Hochmut und die Arroganz ihrer Offiziere bestraft. Niemand hatte es für möglich gehalten, aber die Viet Minh hatten es tatsächlich geschafft, schwere Artillerie in die Berge zu transportieren. 75.000 Mann hatten die in Einzelteile zerlegten Kanonen in den Dschungel geschleppt. Bei den Franzosen gab es Selbstmorde von Offizieren und Führungswechsel im Generalstab, aber es war zu spät. Die Mausefalle war zugeschnappt. Der Versorgungsweg durch die Luft war abgeschnitten, das Flugfeld zerstört. Der Wahnsinn dauerte vom 13. März bis zum 7. Mai 1954, dann kapitulierten die Franzosen. Bald darauf zog sich Frankreich komplett aus Indochina zurück.“ Charles Wegner presste die Lippen zusammen und runzelte seine Stirn. „Und von meinen Leuten hat keiner überlebt. Die gesamte I/13e D.B.L.E. wurde praktisch aufgerieben.“ Nachdenklich starrte der alte Mann auf die Packung Zigaretten, die am Tisch lag.
„Aber das ist schon lange Geschichte“, sagte er. Er gab sich einen Ruck und stand auf.
„Und jetzt gehe ich nach Hause und sehe mir die Nachrichten an. Dann lese ich bei einem guten Glas Rotwein den Figaro .“
Marc Vanhagen begleitete den alten Herrn bis vor das Eingangstor. Sie verabschiedeten sich herzlich und Marc fuhr nachdenklich nach Hause.
Mattersburg, Donnerstag, 22. April 2010, 20.30 Uhr
Marc Vanhagen schob den leeren Teller ein Stück von sich weg und legte Löffel und Gabel hinein.
„Haben dir die Spaghetti Carbonara nicht geschmeckt?“, fragte Freddy.
„Doch, die waren ausgezeichnet“, antwortete Marc.
„Ich frage, weil du so wenig gegessen hast.“
„Ich war heute Mittagessen. Da habe ich schon eine Riesenportion verdrückt.“
„Und was hast du gegessen?“
„Wiener Backfleisch, das ist paniertes Rindfleisch.“
„Interessant, war das Fleisch nicht zu trocken?“
„Nein, es hat vorzüglich geschmeckt.“
„Und welcher Teil vom Rind war das?“, fragte Freddy. Ihre Neugier als Köchin war erwacht.
„Keine Ahnung, ich glaube, das war Beiried, aber ich bin mir nicht sicher.“
„Dich kann man so etwas nicht fragen. Da muss ich mich an Ort und Stelle überzeugen, wie das zubereitet wird. Demnächst gehen wir zum Essen in dieses Lokal.“
Marc nickte und schmunzelte. Das war wieder so ein Vorhaben, das wahrscheinlich nie realisiert werden würde. Wenn wir alles, was Freddy schon demnächst in die Tat umsetzen will, tatsächlich in Angriff nehmen wollen, brauche ich ein halbes Jahr Urlaub, dachte Marc. Früher hatte er sie immer daran erinnert, dass sie irgendetwas unbedingt machen wollte. Aber dann hatte sie entweder keine Zeit oder keine Lust und verschob alles auf später. Jetzt nickte er nur noch, wohl wissend, dass ihre Ankündigung auf die lange Bank geschoben wurde.
„Hast du noch nicht genug?“, fragte Sina ihren Bruder. Michael grinste, während er sich die dritte Portion Spaghetti auf den Teller häufte.
„Das ist ein Wahnsinn, du frisst wie ein Halter“, sagte Sina entrüstet.
„Schön sprechen, Schwesterchen, das heißt Kuhhirt.“
„Wenn ich so viel esse, platze ich.“
„Du musst auf deinen Arsch schauen“, sagte Michael spitzbübisch. „Ich glaube, der ist in letzter Zeit ohnehin größer geworden.“
„Heh, du Frechdachs. Play you yes not“, sagte Sina mit gespielter Entrüstung und versetzte ihm einen leichten Faustschlag auf den Oberarm.
„Aua! Jetzt kann ich keine Hausübungen mehr machen“, alberte Michael und schlenkerte mit dem getroffenen Arm. „Ich denke, mit dem kaputten Arm kann ich mindestens eine Woche lang nicht in die Schule gehen.“
„Das könnte dir so passen“, sagte Marc lachend. Er genoss das gemeinsame Abendessen mit seiner Familie.
„Übrigens, die Deutschlehrerin droht mir, mich mit Nicht genügend zu beurteilen“, lenkte Michael das Gespräch auf ein ernstes Thema.
„Hast du eine Frühwarnung bekommen?“, fragte Marc, der sich im Laufe der Zeit ein beachtliches Wissen über das Schulunterrichtsgesetz angeeignet hatte.
„Noch nicht, aber sie will mir demnächst eine schicken.“
„Welche Noten hast du bisher gehabt?“, fragte Sina.
„Im Halbjahreszeugnis hatte ich ein
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