Canard Saigon (German Edition)
Hüftknochen. Die Halsfessel scheuerte, und sie glaubte, ihre Arme würden aus der Schulter gerissen. Er nahm sie hart und rücksichtslos.
Schlagartig hielt er inne. Im nächsten Moment war der Druck der Stahlstange verschwunden. Instinktiv versuchte sie, sich zu befreien. Aber ihre neu gewonnene Bewegungsfreiheit betraf nur ihre Hüfte. Da die Arme nach oben gezogen und die Beine gefesselt waren, konnte sie ihre Position nicht entscheidend verändern. Er war tief in ihr und rührte sich nicht. Ihre Befreiungsversuche schien er zu genießen. Sie wand sich noch eine Zeit lang und verharrte dann ebenfalls bewegungslos.
Ein leiser Luftzug berührte ihr Gesicht. Sie blickte nach rechts und sah, wie seine Hand in den Plastiksack eintauchte. Einen Moment später spürte sie einen metallischen Druck an ihrer Kehle. Und sie hörte das schlimmste Geräusch ihres Lebens. Ein leises, knirschendes Geräusch. Und sie spürte einen schmalen Druck entlang ihres Halses. Er hatte ihr soeben die Kehle aufgeschnitten.
Mit weit aufgerissenen Augen stieß sie einen unhörbaren Entsetzensschrei aus. Sie kämpfte gegen das Unfassbare. Zuckend bäumte sie sich in ihren Fesseln auf. Sie sah, wie ihr Blut spritzte. Stoßweise schoss der Lebenssaft aus ihrer Kehle in den Plastiksack. Sie wollte mit den Händen an ihren Hals fassen, um das Blut aufzuhalten, aber die Fesseln waren unbarmherzig. Sie wand sich, jede Faser ihres Körpers vibrierte. Sie fühlte, wie das Blut durch ihre Luftröhre in die Lunge sickerte. Sie würde ersticken. Wieder bäumte sie sich auf. Ihre Muskeln zuckten unkontrolliert. Sie röchelte, winselte, warf den Kopf hin und her. Sie würgte, ihr Körper wollte das Blut aus der Lunge quetschen. Verzweifelt sog sie Luft durch die Nase ein. Hustend und keuchend schüttelte sie ihren geschundenen Körper. Allmählich ebbten ihre Krämpfe ab. Sie röchelte und ertrank in ihrem eigenen Blut. Ein letztes Mal bäumte sich ihr Körper auf. Einmal noch versuchte sie, sich zu befreien. Ihr Körper erschlaffte, ihr Kopf sank vornüber. Vergeblich hatte sie minutenlang um ihr Leben gekämpft. Der mit Blut gefüllte Plastiksack war das Letzte, was sie sah. Und dann erstarben die Augen von Maricela Joy Rodriguez, die aus Manila nach Wien gekommen war, um ihr Lebensglück zu finden.
Mattersburg, Donnerstag, 15. April 2010, 7.40 Uhr
„Wr. Neustadt schlägt Mattersburg verdient mit 2:1“ prangte als Überschrift im Sportteil der Tageszeitung. Marc Vanhagen war am Vortag im Stadion von Wiener Neustadt gewesen und hatte sich das Fußballspiel angesehen. Jetzt las er aufmerksam den Bericht über dieses Spiel. Freddy, seine Frau, witzelte über diese Angewohnheit.
„Und, steht alles drin, was du gesehen hast, oder warst du im falschen Stadion?“, fragte sie mit einem spitzbübischen Lächeln, während sie einen Schluck Kaffee trank. „Oder musst du erst nachlesen, was du gesehen hast?“
Marc sah sie über den Rand seiner Lesebrille an und musste lachen.
„Ja, ja, wieder erwischt“, meinte er, amüsiert über seine Angewohnheit. „Aber du weißt ja, keine Entrüstung ist geiler, als einen Journalisten dabei zu ertappen, nicht das zu schreiben, was man selbst gesehen hat.“ Marc faltete die Zeitung zusammen und legte die Brille beiseite.
„Möchtest du noch einen Kaffee?“, fragte er seine Frau, während er vom Esstisch aufstand und seine leere Kaffeetasse in die Hand nahm.
„Ja, bitte“, sagte Freddy und trank schnell den letzten Schluck. Er ging die paar Schritte in die Küche und platzierte die Tassen auf der Abstellfläche der Kaffeemaschine. Wohnzimmer, Essbereich und Küche bildeten einen großen Raum. Die überdachte Terrasse war sowohl vom Wohnzimmer als auch von der Küche erreichbar. Marc drückte auf einen Knopf der Espressomaschine. Während das Gerät begann, knirschend die Bohnen zu mahlen, blickte Marc aus der großen Terrassentür. Der wolkenverhangene Himmel ließ einen nasskalten Frühlingstag erwarten. Marc war froh, dass er den Tag in einem klimatisierten Konferenzraum verbringen würde.
Während er auf den Kaffee wartete, ließ er seinen Blick durch die Wohnung schweifen. Für die geschmackvolle Einrichtung war Freddy verantwortlich. Sie hatte ein besonderes Auge dafür. Ihr Stil war schlicht, aber wohnlich. Die offene Küche in mediterranem Stil aus milchig gebeiztem Fichtenholz passte optisch hervorragend zum anschließenden Essplatz. Der massive Tisch aus Ahorn, die Eckbank und die drei Sessel
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