Canard Saigon (German Edition)
boten bis zu zehn Personen Platz und waren das Kommunikationszentrum des Hauses. Im Wohnbereich stand eine riesige Sitzgarnitur, auf der man hervorragend herumlümmeln und sich vom Fernsehprogramm berieseln lassen konnte. Für Freddy wirkte der neue Flachbildfernseher wie ein Schlafmittel. Da konnte die Surroundanlage noch so dröhnen. Wenn sie sich auf einen Film freute und sich bequem hinlegte, schlief sie nach einigen Minuten tief und fest. Die wenigen Bilder an den zartgelb gestrichenen Wänden waren raffiniert beleuchtet, was am Abend für ein besonderes Flair sorgte. Die Perserteppiche mit Kasak-Muster auf dem Parkettboden aus Eichenholz gaben dem Ganzen eine eigenwillige Note.
Sie hatten das einstöckige Haus vor 18 Jahren renoviert, es war Freddys Elternhaus. Nachdem erst ihre Mutter und ein Jahr später auch ihr Vater verstarben, beschlossen sie, das Haus zu sanieren. Im Erdgeschoß hatte sich Marc ein Büro eingerichtet, das seit drei Jahren auch Freddy als Arbeitsraum diente. Im oberen Stock hatten sie ihr Schlafzimmer, zwei Kinderzimmer, das Bad und einen Trainingsraum eingerichtet, der mittlerweile hauptsächlich von den Kindern benutzt wurde. Marc wohnte gern hier. Er genoss das Leben am Land und war stolz auf das harmonische Familienleben. Das gab ihm Ruhe und Kraft für seine manchmal nervenaufreibende Arbeit.
Er servierte seiner Frau den Kaffee, erntete ein „Danke, Schatz“ und setzte sich auf seinen Platz. Während Freddy sich eine Buttersemmel schmierte, betrachtete Marc seine Frau. Sie war toll. Humorvoll, witzig, intelligent und ein 168 Zentimeter großes Energiebündel. Am 2. März hatten sie ihren 40. Geburtstag gefeiert. Ihr Alter unterstrich noch ihre Ausstrahlung, wie Marc fand. Ihre schulterlangen brünetten Haare umrahmten ihr sparsam geschminktes Gesicht. Sie war keine Schönheit wie die Püppchen in den Hochglanzmagazinen. Freddy war ein echter Kumpeltyp, ein Mensch, mit dem er durch Dick und Dünn gehen konnte. Und schon gegangen war. Wenn sie lachte, funkelten ihre braunen Augen und die Fältchen um ihre vollen Lippen verliehen ihr einen atemberaubenden Sex-Appeal. Marc betrachtete ihre makellose Figur. Die schwarzen Jeans passten wie angegossen, der enge, rote Pulli unterstrich ihre beachtliche Oberweite. Marc grinste genüsslich, als er an die letzte Nacht dachte.
„Was?“, fragte Freddy, als sie sein Lächeln bemerkte. „Warum grinst du so?“, bohrte sie weiter und lächelte.
„Ich musste nur an letzte Nacht denken“, sagte Marc und rollte mit den Augen.
„Hat es dir gefallen, ja?“, fragte Freddy mit einem koketten Lächeln.
„Es war wie immer – fantastisch“, schwärmte Marc. „Wir sollten das gelegentlich wiederholen.“
„Na, na, na, übernimm dich bloß nicht“, neckte sie. „Du bist nicht mehr der Jüngste, mein Schatz, du musst mit deinen Kräften haushalten.“
„Hey Baby, ich bin 43, und genau so viele Nummern schaffe ich in der Woche“, protzte Marc. Freddy lachte hellauf.
„Ich sollte es einmal darauf ankommen lassen, du Hengst.“ Sie stand auf und begann den Tisch abzuräumen.
„Wann kommst du heute nach Hause?“, wechselte sie abrupt das Thema und fuhr fort, ohne auf eine Antwort zu warten. „Ich muss Michael um 17 Uhr von der Schule abholen. Um 17.45 Uhr muss Sina beim Karatetraining sein, danach treffe ich mich in Wiesen mit Franz wegen des Festivals. Ich weiß nicht, wann ich wieder zu Hause bin. Wenn es sich bei dir ausgeht, kannst du Sina um 20 Uhr vom Training abholen. Ich werde etwas kochen, das du dir wärmen kannst. Oder du isst im Büro?“
„Normalerweise sollte ich bis 18 Uhr hier sein. Vielleicht sehen wir uns ja noch.“ Er blickte auf seine Uhr. „Zehn vor acht, ich werde jetzt fahren. Die Klausur beginnt zwar erst um halb zehn, aber wenn der Frühverkehr staut, brauche ich länger, und ich will nicht zu spät ...“ Sein Handy spielte die vertraute Melodie und unterbrach das Gespräch. Er nahm das Handy aus der Brusttasche seines weißen Hemdes und drückte den Annahmeknopf.
„Oberst Vanhagen?“, fragte eine Frauenstimme.
„Ja.“
„Hier ist das Sekretariat des Direktors des Bundeskriminalamts. Herr Oberst, ich verbinde sie mit Herrn Direktor General Huttinger. Einen Moment bitte.“ Marc verspürte ein flaues Gefühl in der Magengegend. Ein Anruf vom Chef in aller Herrgottsfrüh war ungewöhnlich. Blitzartig überlegte er, ob er sich in letzter Zeit irgendwelche Verfehlungen geleistet hatte. Möglicherweise
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