Canard Saigon (German Edition)
Marc. Wenn man Menschen näher kennenlernt, erscheinen sie oft in einem anderen Licht.
„Ihr Vertrauen ehrt mich, Herr Generaldirektor“, sagte Marc. „Wie sind die Rahmenbedingen?“
Jetzt brachte sich Josef Huttinger in das Gespräch ein. „Marc, wir richten eine Sonderkommission ein, besser gesagt, du richtest eine Sonderkommission ein. Du stellst dir ein Team zusammen und bist vollkommen weisungsfrei. Dr. Seewald und ich werden über den Stand der Ermittlungen auf dem Laufenden gehalten. Du bekommst alle notwendigen Vollmachten, deine Ermittlungsarbeit hat absoluten Vorrang. Du kannst dich aller polizeilichen Einrichtungen bedienen.“
„Hey, ich glaube, ich träume“, sagte Marc gut gelaunt. „Solche Vollmachten hat sonst nur der liebe Gott.“
Josef grinste: „Aber du weißt, die Ministerin hat hohe Erwartungen. Wenn du die Sache verbockst, halten wir zwei die Köpfe hin.“
„Wie sieht es mit dem Budget aus?“
„Unbeschränktes Budget“, antwortete Dr. Seewald. „Besser gesagt, Ihre Ermittlertätigkeit soll nicht durch fehlende Geldmittel eingeschränkt sein.“
„Wie sieht die Entlohnung aus? Nicht für mich, sondern für die Mitglieder meines Teams?“
„Hmm“, brummte Josef und dachte nach. „Welche Vorstellungen hast du?“
„Ich denke an 150 Prozent des Grundgehalts, 170 Prozent bei niederen Chargen“, legte sich Marc fest.
„Hmm“, brummte Josef wieder und notierte die Wünsche. „Sollte machbar sein. Wenn das Team endgültig steht, werde ich es durchrechnen lassen.“ Er nahm einen dicken Ordner vom Tisch und drückte ihn Marc in die Hand. „Hier sind alle bekannten Fakten der beiden zurückliegenden Morde. Hast du noch Fragen, Marc?“
„Ja. Wer ist der zuständige Staatsanwalt?“
„Das ist noch nicht entschieden“, antwortete Seewald. „Haben Sie irgendwelche Präferenzen? Vielleicht können wir auf ministerialer Ebene eine Vereinbarung erreichen.“
„Frau Dr. Eva Lessing wäre ideal. Die Frau hat einiges auf dem Kasten, ist kompetent, korrekt und überaus intelligent.“
„Und sie sieht verdammt gut aus“, fügte Josef Huttinger mit süffisantem Lächeln hinzu.
„Aber Josef, soll ich eine Frau diskriminieren, nur weil sie gut aussieht?“, erwiderte Marc spitzbübisch. „Wo kann ich die Ermittlungszentrale einrichten?“
„Wo du willst, du kennst die Räumlichkeiten.“
„Ich fühle mich wie im Paradies für Polizisten“, sagte Marc. „Ich hoffe, dass ich Ihren Vorschusslorbeeren gerecht werden kann. Von meiner Seite wäre alles geklärt. Haben Sie noch Fragen?“
Da Marcs Vorgesetzte nichts hinzuzufügen hatten, bedankte sich Dr. Seewald für das konstruktive Gespräch und beendete das Meeting.
Wien, Donnerstag, 15. April 2010, 15.00 Uhr
Sie saßen zu zweit in der neu geschaffenen Zentrale im Bundeskriminalamt. Marc Vanhagen war nach der Besprechung mit den Häuptlingen die paar Schritte ins nahe gelegene Unterrichtsministerium gegangen, um im Minoritenstüberl eine Kleinigkeit zu essen. Dann war er ins Bundeskriminalamt gefahren. In seinem Büro fand er alle notwendigen Vollmachten für seine neue Aufgabe auf seinem Schreibtisch. Josef Huttinger hatte keine Zeit verloren. Marc sah seine E-Mails durch, dann legte er los. Als Zentrale für sein Team hatte er sich einen Büroraum mit 15 perfekt ausgestatteten Schreibtischen ausgesucht. Daran angeschlossen war ein mittlerer Konferenzraum. Er gab seiner Zentrale den Namen „War Room“. Er wusste, dass der Name martialisch klang. Marc, als glühender Fan der Dallas Cowboys und des American Football, hatte sich den Ausdruck aus dieser Sportart entlehnt. In den War Rooms der verschiedenen Footballteams wurden die Strategien für die jährlichen Draft-Runden festgelegt, bei denen nach einem festgelegten System die besten Nachwuchsspieler verpflichtet wurden. Am nächsten Wochenende stand der Draft für 2010 auf dem Programm. Marc kannte alle Expertenmeinungen über die Topspieler aus dem Collegefootball. Und er hatte genaue Vorstellungen, welche Spieler die Dallas Cowboys verpflichten sollten. Wie jedes Jahr würde er im Internet den War Room der Cowboys beobachten. In den War Rooms waren die genialsten Köpfe der Teams versammelt, um blitzschnelle Entscheidungen zu treffen. Daher fand Marc den Namen passend.
Als ersten Mitarbeiter hatte er Martin Schilling ins Team geholt. Er schätzte Martin als brillanten Ermittler, der sich in eine Aufgabe verbeißen konnte. Der 35 Jahre alte Kriminalbeamte
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