Canard Saigon (German Edition)
mit seinem kurzen Haar und der angehenden Glatze war ein austrainiertes Muskelpaket mit einem feinen Gespür für menschliches Verhalten. Mit seinem frechen Lächeln, gepaart mit einem offensichtlichen Überschuss an Testosteron, sorgte der überzeugte Single bei so mancher Frau für Nervosität. Überlange Besprechungen durchzustehen und sein Temperament zu zügeln, gehörte nicht zu seinen Stärken. Martin Schilling saß neben Marc Vanhagen im War Room. Sie hatten über Marcs Wunschkandidaten für das Team gesprochen, und Martin war dabei, diese zu verständigen.
Marc begann, die Akten der beiden Morde durchzusehen. Als die Tür aufging, sah er von seinem Schreibtisch auf. Die Kommunikationstruppe betrat gemeinsam den Raum. Emma Szinovek, eine ältere gepflegte Dame, immer adrett gekleidet, hatte er aus dem Büro von Josef Huttinger angefordert. Sie arbeitete schon ewig im BKA und kannte alle wichtigen Personen im Polizeiapparat und bei den diversen Behörden. Emma wusste Bescheid, wer wofür zuständig war und wer die Besten ihres Faches waren.
Christine Pinter, 24 Jahre alt, wurde The Voice genannt. Sie arbeitete in der Pressestelle. Neben ihrer Freundlichkeit hatte sie eine faszinierend laszive Stimme, ohne jemals anzüglich zu wirken. Wenn Christine telefonierte, waren erboste Anrufer binnen Sekunden beruhigt. Marc hatte sie für die Öffentlichkeitsarbeit vorgesehen. Außerdem sollte sie Anrufe entgegennehmen und als Empfangsdame im War Room agieren.
Der 28-jährige Thomas Gridler war für die innere Kommunikation vorgesehen. Marc schätzte die ruhige, sachliche Art des unscheinbar wirkenden blassen jungen Mannes. Thomas sprach nicht viel, aber er hatte ein unglaubliches Koordinationsvermögen und verlor auch in unübersichtlichen Situationen nie den Überblick.
Marc begrüßte die Ankömmlinge und wies ihnen ihren neuen Arbeitsplatz zu. In kurzen Worten erklärte er ihnen ihren zukünftigen Tätigkeitsbereich. Die neuen Teammitglieder begrüßten Martin Schilling und begannen, ihre Schreibtische in Beschlag zu nehmen. Marc rief seine Frau an und erklärte ihr die Situation. Freddy wusste genau, dass sie ihren Mann in den nächsten Tagen nicht viel sehen würde. Sie sagte, er solle sich keine Sorgen machen, sie habe zu Hause alles im Griff. Dann rief er Ernst Oberhauser an. Marc bedankte sich nochmals für die vorbildliche Arbeit seiner Gruppe. Er bat ihn, alle sichergestellten Gegenstände ins BKA-Labor und alle DNA-Spuren in das Gerichtsmedizinische Institut nach Innsbruck zu schicken. Er fragte Oberhauser, ob die Identität des Opfers schon bekannt sei. Ernst Oberhauser erklärte ihm, dass die Auswertung der Fingerabdrücke der Toten kein Ergebnis gebracht habe. Marc bat ihn noch, alle schriftlichen Unterlagen ins BKA zu schicken.
Martin Schilling kam zu Marc an den Schreibtisch und setzte sich in den Besucherstuhl.
„Marc, ich habe alle verständigt und wie besprochen für morgen um acht Uhr zur ersten Teambesprechung gebeten.“
„Sehr gut“, sagte Marc. „Du kannst mir jetzt helfen.“ Er drückte Martin den Ordner von Interpol mit dem kroatischen Fall in die Hand. „Arbeite dich in den Akt ein, ich übernehme die Türkin. Morgen gleichen wir die Fälle ab und präsentieren sie dem Team.“
In diesem Moment klingelte das Telefon. Christine Pinter kündigte einen Anruf von Dr. Sarah Baldinger, der Gerichtsmedizinerin, an.
„Herr Oberst Vanhagen“, eröffnete die Ärztin das Gespräch. „Können Sie heute noch in unsere Obduktionseinheit nach Simmering kommen? Ich möchte Ihnen etwas zeigen, das für die Ermittlungen eine Rolle spielen könnte.“
„Selbstverständlich, Frau Dr. Baldinger“, antwortete Marc. „Wie lange sind Sie im Dienst?“
„Also, mir wäre es recht, wenn Sie bis 18 Uhr hier sein könnten, früher geht es aber auch.“
Marc blickte auf die Uhr. „Ich habe hier noch etwa zehn Minuten zu tun. Ich sollte spätestens um 17.30 Uhr bei Ihnen sein.“ Marc verabschiedete sich und legte auf.
„Martin, wir fahren nach Simmering. Nimm dir den Ordner mit. Das wird deine Nachtlektüre. Wir fahren mit zwei Autos. Nach dem Besuch der Obduktionseinheit fahren wir nach Hause. Morgen wird hier ohnehin die Bude rocken.“
Marc wandte sich an Thomas Gridler und bat ihn, im Fundbüro nachzufragen, ob irgendetwas abgegeben worden war, was auf eine Frau asiatischer Herkunft hinweisen könnte. Und per E-Mail möge er alle Polizeiinspektionen instruieren, auf relevante Fundsachen zu
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