Canard Saigon (German Edition)
Rechtshänder.“ Sie hob die Schulter der Toten an. „Hier sehen Sie zwei Verbrennungsmale, fünf Zentimeter voneinander entfernt“, sagte sie und wies auf die Punkte im Nackenbereich hin. „Diese Verletzungen werden üblicherweise von Elektroschockern verursacht.“
„Haben Sie mehr solche Punkte gefunden?“, fragte Marc. „Wurde sie mit einem Elektroschocker gefoltert?“
„Nein, das sind die einzigen. Aufgrund der Leichenflecken kann ich Ihnen sagen, dass sie stehend gestorben ist. Die Scheuerstellen auf ihrer Haut weisen darauf hin, dass sie mit metallischen Utensilien gefesselt war. Sie hat starke Scheuerstellen an den Fußgelenken und am Hals. Ihre Handgelenke waren vermutlich mit Handschellen gefesselt. Die Unterarme waren hinter ihrem Rücken mit einem silbernen Isolierband, und zwar von den Handgelenken bis zu den Ellbogen, verschnürt. Um ihren Kopf war ebenfalls ein solches Band gewickelt, um ihren Mund zu verschließen. Die Tote weist starke Prellungen im vorderen Beckenbereich auf, herbeigeführt von einem harten metallischen Gegenstand. Genaueres kann ich Ihnen darüber nicht sagen. Interessant ist, dass der gesamte Körper eingeölt ist. Ich habe Proben davon ins Labor geschickt.“
„Wurde sie vergewaltigt?“, fragte Marc.
„Das ist schwer zu sagen“, antwortete Sarah Baldinger. „Das Opfer weist keinerlei Verletzungen im Vaginalbereich auf. Es gibt auch keine Hinweise auf Analverkehr. Allerdings habe ich reichliche Spuren des Öls in der Vagina gefunden.“
„Was schließen Sie daraus?“, fragte Marc.
„Die Tote hat sich das Öl keinesfalls selbst aufgetragen, denn ihre Finger weisen keinerlei Rückstände auf.“
„Das heißt, die Tote wurde erst gefesselt und dann mit Öl eingerieben“, folgerte Martin Schilling. „Auch im Intimbereich.“
„Ja, genau“, sagte Dr. Baldinger und sah Martin bewundernd an, bevor sie sich erneut der Leiche zuwandte. „Da keine Spuren von Sperma, Haaren oder Hautpartikeln zu finden sind, kann ich über die Art der Penetration nur mutmaßen. Falls es eine Vergewaltigung war, hat der Täter ein Kondom benutzt. Beim Auftragen des Öls hat er vermutlich Handschuhe getragen. Ob Spuren von einem Gleitmittel, das üblicherweise auf Kondomen aufgetragen wird, vorhanden sind, kann nur das Labor feststellen.“
„Wir haben es also mit einem extrem vorsichtigen Täter zu tun“, sagte Marc nachdenklich.
„Das ist anzunehmen“, stimmte die Ärztin zu. „Ich muss Ihnen etwas zeigen. Neben einigen Müllresten, die an der Haut klebten, fand ich dies hier.“ Sie ging zur Ablage und kam mit einem Plastiksäckchen zurück. „In ihrer Vagina steckten diese drei Federn.“ Sarah gab Marc das Säckchen. „Die Federn wurden sorgfältig drapiert. Die Stiele steckten so weit in der Vagina, dass sie nicht herausrutschen konnten.“
„Das könnte eine Signatur sein“, murmelte Marc. Er begutachtete die Federn. Sie waren etwa acht Zentimeter lang, dunkelbraun und weiß-hellbraun gemustert.
„Kennst du dich mit Vögeln aus?“, fragte Marc, als er das Säckchen an Martin weitergab.
„Natürlich, aber wieso fragst du mich ausgerechnet jetzt? Brauchst du Nachhilfe?“, sagte er mit einem breiten Grinsen. Sarah Baldinger wurde rot und wandte sich verlegen ab. Marc musste lachen, als ihm bewusst wurde, worauf Martin anspielte.
„Du Kindskopf, hast du nichts anderes im Kopf?“, fragte er, amüsiert über die Situationskomik, die er mit seiner Frage ausgelöst hatte. „Ob du weißt, von welchem Vogel diese Federn stammen?“
Martin warf einen kurzen Blick auf das Plastiksäckchen. „Keine Ahnung, da musst du jemand fragen, der etwas von Vögeln versteht“, antwortete Martin grinsend. Marc lachte lauthals los, und diesmal musste sogar die Ärztin einstimmen.
„Komm, gehen wir“, sagte Marc zu Martin. „Die Situation wird mir zu makaber.“
„Aber du hast damit angefangen.“
Sie vereinbarten mit Sarah Baldinger, dass sie die Federn ins Labor schicken sollte. Und dass sie so schnell wie möglich den endgültigen Obduktionsbericht brauchten. Dr. Baldinger versprach, den Bericht bis Freitagmittag fertigzustellen. Sie verabschiedeten sich. Marc bemerkte die leichte Nervosität der Ärztin, als sie Martin die Hand reichte. Kopfschüttelnd ging er zu seinem Auto und fuhr nach Hause.
Mattersburg, Donnerstag, 15. April 2010, 18.30 Uhr
Ein Autounfall an der Einmündung der Südosttangente in die Südautobahn zwang Marc Vanhagen, eine Zeit lang im
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