Canard Saigon (German Edition)
machen“, sagte Sina.
Marc Vanhagen parkte das Auto, und sie gingen ins Haus. Freddy war noch nicht daheim. Aus Michaels Zimmer dröhnte Heavy Metal. Sina holte sich einen Energy-Drink aus dem Kühlschrank und verschwand auf ihr Zimmer. Marc wärmte sein Abendessen. Freddy hatte Reisfleisch gekocht. Da seine Kinder das Abendessen verweigerten, musste Marc allein essen. Was er hasste. Wenn er allein war, wählte er üblicherweise nur Speisen, besser Imbisse, die er stehend zu sich nehmen konnte. Wenn er sich zu Tisch setzte, brauchte er Gesellschaft. Da er auch schon beim Mittagessen allein gewesen war, aß er das Reisfleisch ziemlich missmutig, obwohl es gut schmeckte. Nach dem Essen räumte er den Tisch ab und setzte sich vor den Fernseher. Marc Vanhagen war ein Fernseh-Junkie. Ob Sport, Nachrichten, Filme oder Dokumentationen, er fand alles interessant. Er sah sich eine Folge von Dr. House an. Aber immer wieder schweiften seine Gedanken ab. Er dachte an die Tote, an das Treffen im Innenministerium und an die Auswahl seines Teams. Der Fall begann, ihn zu vereinnahmen. Kurz nach 21 Uhr kam Freddy nach Hause. Sie tranken gemeinsam Kaffee, und Freddy erzählte ihm von ihrer Besprechung mit Franz Bogner und seiner Frau Minnie. Sie sprühte vor Engagement und berichtete ihm, wie ihre Vorbereitungen für das Festival liefen. Ein Fest, das drei Tage lang durchgängig laufen würde und seit Monaten ausverkauft war. Täglich 8000 Besucher fast ohne Pause zu versorgen, bedeutete für die Veranstalter eine gewaltige logistische Herausforderung. Marc lächelte, während er seiner Frau zuhörte. Wenn sie über ihren Buffetbetrieb am Festivalgelände sprach, war sie voll in ihrem Element. Sie verkaufte in Vergessenheit geratene burgenländische Schmankerln wie Feuerflecken oder Bohnendatscherln. So schwer es am Anfang auch gewesen war, den Festivalbesuchern diese unbekannten Speisen schmackhaft zu machen, mittlerweile hatte sie damit Kultstatus erreicht. Aber ihr Erfolg war mit viel Arbeit und großem Einsatz verbunden. Marc bewunderte sie, wie sie ihr Geschäft und den Haushalt schaukelte. Dabei war sie fast immer gut gelaunt. Freddy war eine Frohnatur, die der Familie Rückhalt gab. Marc erzählte ihr in groben Zügen von seiner neuen Aufgabe und dass die nächste Zeit ziemlich stressig werden würde. Freddy meinte nur, er solle sich auf seine Arbeit konzentrieren, die anfallenden häuslichen Angelegenheiten würden die Kinder und sie locker schaffen.
Um 22 Uhr machte sich Marc noch eine Tasse Kaffee und ging mit der Akte über die ermordete Türkin in sein Büro. Marc Vanhagen war ein Nachtmensch. Und um diese Zeit konnte er voll konzentriert arbeiten. Er nahm sich vor, nicht länger als bis zwei Uhr morgens aufzubleiben, denn am nächsten Tag musste er früh aufstehen.
Wien, Freitag, 16. April 2010, 7.30 Uhr
Als Marc Vanhagen den War Room betrat, waren alle Teammitglieder zugegen. Er begrüßte jeden Einzelnen per Handschlag. Eine Geste, die ihm wichtig war. Emma Szinovek übergab Marc einen Ordner.
„Der Bericht von Ernst Oberhauser“, sagte Emma. „Er hat ihn auch per E-Mail geschickt. Thomas hat bereits einen Verteiler eingerichtet. Das gesamte Team hat Zugriff auf den Akt.“
„Danke, Emma“, murmelte Marc und nickte Thomas Gridler anerkennend zu. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und überflog den Bericht. Dann blätterte er die Tageszeitungen durch, die ihm Christine Pinter auf den Schreibtisch gelegt hatte. Sie hatte alle den Fall betreffenden Artikel mit einem roten Marker gekennzeichnet. Die Meldungen entsprachen dem dürftigen Informationsstand.
Fünf Minuten vor acht Uhr bat Marc sein Team in den Konferenzraum. Er nahm an der Stirnseite des Tisches Platz und sortierte seine Ordner. Die Teammitglieder setzten sich ebenfalls und plauderten angeregt miteinander. Marc erhob sich und sah reihum jedem Anwesenden kurz in die Augen. Das Stimmengewirr verstummte, und die Mitglieder der Sonderkommission richteten ihre Blicke erwartungsvoll auf ihn.
„Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!“, eröffnete Marc seine erste Teamsitzung. „Ich begrüße euch zu unserem ersten Meeting und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit. Wir haben einen Mord, vielleicht einen Mehrfachmord aufzuklären. Bevor ich euch die Einzelheiten mitteile, ziehe ich eine Aufgabenstellung vor. Christine Pinter fungiert als Anlaufstelle für alle Kontakte von außen und übernimmt die Medienarbeit.“
Christine begrüßte die Anwesenden
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