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Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)

Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah-Kate Lynch
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zusammengeklaubt zu dünnen Knoten, beide mit so faltigen Gesichtern, dass sie an vertrocknete Herbstblätter erinnerten.
    Sie stellten sich Hüfte an Hüfte hinter die Theke, und nach ein paar Sekunden, in denen sie Lily schweigend von oben bis unten musterten, begann eine von ihnen einen atemlosen Monolog, von dem Lily nicht eine Silbe verstand, während die andere zusah und zustimmend mit dem Kopf wackelte.
    »Tut mir leid, bitte … ich kann Ihnen nicht folgen, ich spreche kein Italienisch«, sagte Lily. »Ich bin wegen des Zimmers hier, das Sie vermieten.«
    Die plappernde alte Frau plapperte einfach weiter, und die Nickende nickte einfach weiter.
    »Das Zimmer, das Sie vermieten?«, wiederholte Lily lauter. »Ist es überhaupt ein Zimmer? Oder ein Apartment?« Sie ging hinüber zum Schaufenster und tippte an das Schild. »Apartamento? Rento?«
    Die Nickende sagte nun etwas zu der Plappernden. Beide hielten kurz inne und musterten sie wieder von Kopf bis Fuß, bevor die Nickende sich zur Ladentür aufmachte.
    Dies nahm recht viel Zeit in Anspruch. Sie bewegte sich im Schneckentempo.
    »Also, wegen des Zimmers«, sagte Lily, nachdem die nickende alte Dame durch die Tür verschwunden war. »Können Sie mir etwas dazu sagen? … Es ist nur so, dass ich langsam verzweifle.«
    Die verbliebene alte Frau verschränkte die Hände unter dem Kinn und blinzelte so angestrengt, dass ihre Falten übereinanderschwappten an den Rand ihres Gesichts wie Wellen in einem Teich. Ihre kleinen dunklen Augen funkelten unter geschichteten Hängelidern. Schließlich humpelte sie hinter der Theke hervor und nahm Lily an die Hand. Ihre Finger waren geschwollen und krumm, fühlten sich aber überraschend weich und warm an.
    Sie reichte Lily ungefähr bis zur Brust. Lily konnte sehen, dass ihre Haare sich oben in der Mitte lichteten, dass der Kragen ihres schwarzen Baumwollkleids abgewetzt war. Sie roch nach Seidelbast. Nicht das, was Lily von ihrer äußeren Erscheinung her erwartet hätte. Nach Lilys Erfahrung, die freilich beschränkt war, rochen Menschen dieses Alters im Allgemeinen nicht so gut.
    Sie spürte, dass sich ein Kloß in ihrer Kehle bildete, eine unerklärliche Welle von unangebrachter Zuneigung. Sie war müde, jetlaggeschädigt, außerhalb ihrer Komfortzone.
    »No sprecho Italiano«, sagte sie zu der alten Frau und kam sich hoffnungslos unkultiviert vor. Vor Jahren hatte Daniel ihr vorgeschlagen, einen Italienischkurs zu machen, aber sie hatte keinen Sinn darin gesehen.
    Die alte Frau umklammerte ihre Hand fester, dann zog sie Lily mit einem kräftigen Ruck durch den winzigen Laden und stützte sich leicht auf sie, während sie mit dem Fingerknöchel gegen die Glasschüsseln und mit dem Fuß auf den Boden klopfte, auf das Schild im Schaufenster zeigte und dabei die ganze Zeit fröhlich auf Italienisch weiterplapperte.
    Lily nickte lächelnd, weil sie immer noch vor Nässe triefte, weil sie fix und fertig war und weil sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte. Die alte Frau fasste das als ein Zeichen der Zustimmung auf und ließ ihre Hand los, um sich recht rüstig Lilys Koffer zu schnappen. Für jemanden, der so gebrechlich war, gelang es ihr bemerkenswert flott, ihn hinter die Theke zu schieben und durch die Tür, durch die sie und ihre Doppelgängerin gekommen waren.
    Lily wartete einen Moment, bis ihr klar wurde, dass die Frau nicht zurückkam, und folgte ihr. Im Hinterzimmer herrschten dasselbe trübe Licht und ein ähnlich berauschender Duft, und hier war es sogar noch wärmer als im Laden. Der Raum wurde dominiert von einem langen Holztisch, der an ein Refektorium erinnerte. Er war so oft benutzt worden, dass die Oberfläche nicht mehr eben war, sondern Wellen bildete in einer sanften Landschaft aus Wölbungen und Vertiefungen. Zwei Stühle waren an jedem Kopfende platziert, und an der hinteren Wand stand ein Einzelbett, auf dem sich diverse Daunendecken stapelten. Hinter der linken Seite des Tisches befanden sich eine Art Küche mit einem Regal hinter einem Vorhang und ein winziger Fernseher auf einem freistehenden Kasten mit Beinen, der, wie Lily vermutete, als Kühlschrank diente.
    »Das ist das Apartment?«, fragte sie. Sie hatte das Bedürfnis, sich hinzulegen. Es war mollig warm und trotz der Schlichtheit seltsam einladend. Aber das Bett in der Ecke sah nicht so aus, als wäre es groß genug für sie.
    »Tut mir leid, aber wissen Sie, das ist nicht genau das, was ich suche«, sagte sie zu der alten Frau, die

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