Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
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In dem Schaufenster mit dem ZIMMER FREI -Schild stand ein einzelner schmiedeeiserner Stuhl ordentlich vor einem winzigen runden Tisch. Der geflieste Boden unter Lilys Kitten Heels war ein leicht wirres Mosaik in ausgeblichenem bräunlichem Orange, mattem Türkis und Grau.
Sie trat einen Schritt vor und sah, dass die Schüsseln gefüllt waren mit etwas, das aussah wie Biscotti: die italienischen Kekse, die im Babbo oder ’Cesca zum Kaffee serviert oder der Rechnung beigelegt wurden und die sie nie anrührte.
Lily lief das Wasser im Mund zusammen. Es war lange her, seit sie das letzte Mal etwas gegessen hatte.
Hinter der Theke, an der Rückwand, stand ein Regal, das eine staubige Sammlung von Gewürzgläsern und verblassten Keksdosen beherbergte. Auf Lily machten sie einen altmodischen Eindruck, als würden sie dort schon seit vielen, vielen Jahren verstauben.
Tatsächlich sah der ganze Laden so aus, als würde er schon seit vielen, vielen Jahren verstauben. Wenn es überhaupt einer war. Es war definitiv kein Geschäft, mit dem Heigelmann sich aufhalten würde. Es gab höchstens Platz für fünf Kunden, allerhöchstens, und eine Kasse schien es gar nicht zu geben. Geschweige denn jemanden, der hier bediente.
Bei näherer Betrachtung unterschieden sich diese Biscotti hier von jenen, die Lily im Babbo oder ’Cesca regelmäßig ablehnte und die gleichmäßig oval geformt und glatt waren. Diese hier sahen etwas unkonventionell aus: Sie waren ungleichmäßig geformt und hatten eine zerklüftete Oberfläche.
Außerdem, falls sie sich nicht täuschte – schließlich herrschte dieses bezaubernde Schimmern im Raum, das allem einen leicht ätherischen Glanz verlieh, weshalb die Augen ihr einen Streich spielen konnten –, lag eine dünne Staubschicht auf den Keksen.
Vielleicht war es kein Laden, sondern eine Art Museum. Wie auch immer, jedenfalls war dieser Raum garantiert nicht zu vermieten. Was nicht bedeutete, dass es hier keinen anderen zu mieten gab. Im Übrigen hatte sie kaum eine andere Wahl, als wenigstens mal nachzufragen.
Lily trat aus der Pfütze, die sie auf dem Boden verursacht hatte. »Hallo!«, rief sie. »Ist jemand hier?«
11
Die Witwe Ercolani wartete, bis Lily das Fremdenverkehrsbüro verlassen hatte, dann wählte sie sorgfältig die Nummer der Witwe Ciacci.
»Sie hat eine Reservierung im Prato«, berichtete sie pflichtgemäß. »Ich habe sie hochgeschickt ins Adesso, damit sie in deiner Nähe ist. Trotzdem kann ich nicht verstehen, was das ganze Theater soll.«
Die Witwe Ercolani mochte Grace Kelly nicht in Das Fenster zum Hof. Sie war eher ein Fan von Sophia Loren.
»Kümmere dich nicht darum, was das ganze Theater soll«, sagte die Witwe Ciacci barsch. Es war allgemein bekannt, dass die Witwe Ercolani ihre Enkelin Adriana auserkoren hatte für Alessandro, aber ein guter Mann war vergeudet bei diesem Flittchen. »Was kannst du uns sonst noch über sie sagen?«
»Sie ist groß und Amerikanerin.«
»Eine Amerikanerin? Oh! Und was noch?«
»Hm?«
»Ich sagte, was noch? Sie ist groß und Amerikanerin und …?«
»Reicht das nicht? Ich denke, wir können unter diesen Umständen auf sie verzichten. Außerdem ist sie zu mager für ihre Größe und nicht richtig angezogen für das Wetter und den Anstieg.« Die Witwe Ercolani musste nicht so tun, als wäre sie bärbeißig. Sie war es von Natur aus.
»Nun, es ist Alessandros Herz, das wir flicken, nicht wahr?«, erinnerte die Witwe Ciacci sie. »Und es liegt nicht an uns, wie das bewerkstelligt wird oder von wem. Das entscheidet Violetta.«
Die Witwe Ercolani stieß ein missbilligendes Brummen aus. In puncto Knurrigkeit war sie schon genauso schlimm wie Violetta. Schlimmer.
»Nun, es ist ja nicht so, als würden wir die gleichen Ergebnisse erzielen wie früher«, sagte sie verächtlich. »Die letzten drei Fälle, an denen wir gearbeitet haben, waren allesamt eine Katastrophe.«
Es stimmte. Sie hatten einen schlechten Lauf gehabt. Zuerst hatten sie versucht, den Bäckersohn mit einer Frau zu verkuppeln, die eine seltene Mehlallergie hatte; dann hatten sie versucht, die Textilhändlerin mit ihrer alten Highschool-Liebe zusamenzubringen, ohne dass ihnen bewusst war, dass diese eine Spielsucht entwickelt hatte; und zuletzt hatten sie die kurvenreiche Sekretärin des Bürgermeisters in die Arme eines Mannes gestoßen, der, wie sich herausstellte, eine Beziehung mit einem Mann aus Cortona hatte. Diesen Katastrophen waren eine lange
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