Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
Also suchte Lily eins der empfohlenen Restaurants auf, das sich an einen kleinen Platz schmiegte ein Stück hinter der Piazza, und bestellte gegrillten Pecorino mit Walnüssen und Honig.
Sie aß aus Prinzip keinen Käse, weshalb sie den Pecorino auf dem Teller herumschob, während sie eine halbe Flasche Wein leerte. Aber der Schmerz, den die Proseccobläschen vorhin so fröhlich weggetanzt hatten, machte keine Anstalten, sich so rasch zu legen mit dem Riesling.
Während die Minuten in der kleinen Trattoria verstrichen, hüpften Francesca und Rolf und die kleine Grace in Lilys Gedanken herum wie dicke Regentropfen auf Kopfsteinpflaster. Sie versuchte weiter, sie zu ertränken, aber kaum war sie einen los, nahm der nächste seinen Platz ein.
Sie hätte das Foto nicht aus dem Schuh nehmen sollen. Sie hätte nicht betrunken Roses Nummer wählen sollen. Sie hätte nicht dem trunkenen Tourismus verfallen sollen. Sie sollte jetzt nicht dasitzen und einen weiteren halben Liter trinken. Hätte sie die Flaschen zu Hause nicht geleert, säße sie jetzt vielleicht in einem Meeting mit der Finanzabteilung, um zu entscheiden, wen sie sich leisten konnten gehen zu lassen, und wen sie sich leisten konnten zu behalten, wo sie Kosten einsparen konnten bei den Schlusslichtern Maryland und Delaware, statt hier zu sitzen und Walnüsse zu drehen und zu versuchen, nicht noch mehr Wein zu bestellen.
Schließlich beschloss sie, woanders hinzugehen, um Letzteres zu tun, und schlenderte über die andere Seite der zentralen Piazza, bis sie wieder eine Trattoria entdeckte mit einer Außenterrasse, die ein anderes kostbares Stück der toskanischen Landschaft zur Schau stellte. Durch die soldatengeraden Bäume am Rand der Terrasse konnte sie Grashänge sehen, die zu einem Flickwerk aus ordentlich gemähten Heuwiesen abfielen, auf denen riesige Rundballen in gleichmäßigen Abständen stolz ruhten zwischen dem Grün der benachbarten Weinberge und Olivenhaine.
Über das Tal hinweg konnte sie mindestens drei weitere Hügelstädte erkennen, deren Kirchturmspitzen und Palazzos beiläufig den Horizont zerschnitten, als wären mittelalterliche Festungsanlagen und Glockentürme völlig normal, was sie, wie Lily vermutete, hier wohl auch waren. War es die Toskana nicht allmählich leid, so absurd hinreißend zu sein?
Lily bestellte wieder Pecorino mit Walnüssen und Honig und dazu mehr Riesling. Das würde ihr helfen, einen Plan zu machen, den sie nun dringender brauchte als je zuvor und den sie, wie sie sich schwor, fertig haben wollte, bevor die Flasche leer war.
Natürlich würde sie Daniel, wenn sie ihn gefunden hatte, nicht erschießen. Was würde sie also tun? Ohne viel Erfahrung in Theatralik war es schwer, sich die Szene auszumalen. Es würde unangenehm werden, das ließe sich wohl kaum vermeiden, aber es würde nicht laut werden. Sie würde leise die Scheidung verlangen, vermutete sie. Scheidung. Bis jetzt hatte sie das nicht in Betracht gezogen. Nicht wirklich. Aber während sie nun hier saß und Francesca kennengelernt hatte und nicht die Mutter von Rolf war, schien eine Scheidung unausweichlich.
Oder doch nicht? Sie goss sich ein weiteres Glas ein. Sie wollte nicht aus der Wohnung in der zweiundsiebzigsten Straße ausziehen. Sie liebte ihren begehbaren Kleiderschrank. Er war einfach perfekt. Sie konnte darin alles auf einen Blick finden. Und er sparte Kosten, nicht dass sie sich deswegen Gedanken machen müsste, glücklicherweise nicht. Aber da alle ihre schönen Kleider vor ihr ausgebreitet waren, entdeckte sie ständig Sachen, die sie ganz vergessen hatte. Was bedeutete, dass sie weniger davon neu kaufte beziehungsweise weniger in doppelter Ausführung.
Konnte sie ihre Ehe aufrechterhalten wegen der Schrankgröße? Es hatte schon seltsamere Dinge gegeben, dessen war sie sich sicher. Es war nur so, dass sie keine langweilige Schuhkollektion besaß wie Daniel, sondern vielmehr eine grandiose. Ihre Schuhe waren nach Farben sortiert und in individuellen Fächern untergebracht. Es kam nicht darauf an, sie anzuziehen, es gab ihr schon einen Kick, sie nur anzusehen. Die Frage lautete, konnte sie über dieses ganze laminierte Problem hinwegsehen, nur damit das so blieb?
Jedenfalls, wenn es tatsächlich zur Scheidung kam, würde Daniel ausziehen müssen. Sie konnte sich die Wohnung auch alleine leisten. Sie würde eben alleine darin wohnen, aber die meiste Zeit wohnte sie bereits alleine darin. Es hatte ihr nie etwas ausgemacht. Es hatte sie
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