Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
klarer Fall von zu viel Vino und nicht genug Pecorino, nehme ich an.«
»Aha, na dann, Alessandro D’Agnello, zu Ihren Diensten«, sagte Alessandro wieder, mit einem respektvollen Nicken.
»Lily, Lillian, auf Ihre Dienste angewiesen«, sagte Lily und streckte die Hand durch das Fenster, um sie ihm zu geben. Irgendwann in der Nacht hatte sie versucht, ihren BH unter dem Langarm-T-Shirt auszuziehen, der nun aus ihrem Ärmel hervorragte, um ihr Handgelenk gewickelt.
Sie blickten beide darauf, sie mit Entsetzen, er mit Belustigung.
Aber Alessandro war ein Mann mit tadellosen Manieren.
»Es ist nicht weit bis zu meiner Villa«, sagte er und heftete die Augen wieder auf ihre, wo sie auch blieben. »Haben Sie Lust, mir bei einem Kaffee Gesellschaft zu leisten? Ich kann einen hervorragenden Kaffee kochen, und ich brauche jetzt einen. Ich war auf einer Art Gänsejagd heute Morgen.«
»Wildgänse«, spekulierte Lily.
»Jedenfalls eine seltsame Gans«, sagte Alessandro. »Ich bekam heute Morgen in aller Frühe einen Anruf, und die Frau meinte, dass ich mich hier auf dieser Straße mit einem Kurierfahrer treffen soll. Aber hier ist niemand. Niemand außer Ihnen«, sagte er und lächelte sie an.
Sie lächelte matt zurück.
»Und, kann ich Sie zu einem Espresso am frühen Morgen überreden, bevor Sie sich auf den Rückweg nach Montevedova machen?«
»Ja, Sie können«, erwiderte sie. »Das wäre reizend.«
»Exzellent«, sagte Alessandro. »Fahren Sie mir bitte hinterher. Und sollten Sie mich verlieren, halten Sie einfach an, bis ich Sie gefunden habe. Dafür scheine ich ja Talent zu haben.«
»Sag keinen Ton«, befahl Lily Dermott, als sie auf der Straße hinter dem schwarzen Range Rover fuhr. »Nicht einen einzigen.«
Ein Stück außerhalb vor Montevedova lag Alessandros Villa, eingebettet in einen Hain am Ende einer weißen Kiesauffahrt.
»Die Gegend gefällt mir«, sagte Lily zu ihm, als sie aus dem Wagen stieg. »Wohnen Sie hier schon lange?«
»Ungefähr fünfhundertsechsundsiebzig Jahre«, antwortete Alessandro und geleitete sie zur Eingangstür. »Das heißt, das Haus ist so alt, nicht ich. Es gehörte früher meiner Familie väterlicherseits, die es aber irgendwann im neunzehnten Jahrhundert verloren hat. Ich habe es vor ein paar Jahren zurückgekauft und restauriert.«
»Sie hat es verloren?«, fragte Lily, während sie die große Eingangshalle betraten und durchquerten zu einer überraschend einladenden Küche auf der Rückseite. Sie war modern ausgestattet und funkelte, wohin Lily auch blickte, während auf den Anrichten überall Schüsseln standen mit Obst, Gemüse und Kräutern. Ein Obstkuchen thronte auf einer Art Sockel, frisch bestäubt mit Puderzucker. Es war ein Raum, der aussah, als würde er oft genutzt und sehr geschätzt.
»Ja, mein Urururgroßvater geriet in Streit mit einem niederträchtigen Nachbarn über einen Gaul«, erklärte Alessandro. »Und in der darauffolgenden Blutfehde verlor er sein Haus, zwei seiner Töchter und schließlich seinen Verstand.«
Lily lachte. Niederträchtig? Das war ein Wort, das sie nicht oft zu hören bekam. Ihr Lachen verstummte jedoch, als sie den Ausdruck in Alessandros Gesicht sah.
»Entschuldigung, ich wollte nicht unhöflich sein. Es klingt nur so dramatisch – Niedertracht, Blutfehden, geistige Umnachtung. Wie ein Drama von Shakespeare. Ohne Ihre Vorfahren beleidigen zu wollen.«
Alessandro zog eine Augenbraue hoch und nickte, blieb aber stumm, während er sich in der Küche beschäftigte. Also fragte Lily, ob sie sich umschauen dürfe, und spazierte durch den Essbereich in ein sonniges Wohnzimmer. Die Rückseite des Hauses zeigte auf einen riesigen Swimmingpool, umringt von Eiben in übergroßen Terrakottatöpfen. Dahinter erstreckte sich meilenweit die Hügellandschaft, wahllos besiedelt von knorrigen Beständen uralter, arthritisch aussehender Olivenbäume.
Es war wieder eine absurd fantastische Aussicht.
»Also, ich halte es für wahrscheinlicher, dass Puccini eine Oper darüber komponiert hätte, über meine Familiengeschichte«, sagte Alessandro, der zu ihr stieß, offenbar wieder gut gelaunt. »Eine Tragödie, denke ich, denn genau das ist es.«
»Aber Sie haben das Haus wieder, und es liegt alles schon so lange zurück. Sollte die Familienfehde nicht endlich begraben werden?«
»Sie sind noch nicht lange in Italien«, antwortete er lächelnd. »Darum ist Ihnen wahrscheinlich nicht bewusst, dass wir unsere Vergangenheit viel stärker
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