Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
gegrillten Thunfisch mit Spargelsoße bestellt, aber nur Ingrid aß davon.
»Weißt du, ich glaube, Florenz könnte mein Lieblingsort auf der Welt werden«, sagte sie und nahm einen Schluck von ihrem Wein. »Was ist mit dir?«
»Weiß nicht«, antwortete Daniel, der in seinem Essen herumstocherte. Er hatte keinen Appetit.
Ingrid musterte ihn und überlegte, ob sie ihre Nase tiefer in seine trüben Gewässer stecken oder ihn in Ruhe lassen sollte. Sein Gefühlsausbruch vorhin hatte ohne Erklärung geendet. Er hatte einfach aufgehört zu weinen und sich entschuldigt, bevor er eine halbe Stunde später wieder auftauchte und einen völlig normalen Eindruck machte.
Trotzdem, ihrer Meinung nach war Daniel Turner das Musterbeispiel eines gebrochenen Mannes, dem es fast immer gelang, sich zusammenzureißen. Er hatte ein gutes Herz, das konnte sie genauso leicht erkennen wie die Reife einer Avocado durch sanftes Drücken. Aber er war in Not.
Ein Teil von ihr, der Teil, der sich im Urlaub befand, wollte es einfach genießen, mit einem attraktiven Mann gemütlich zu essen und anschließend über den Ponte Vecchio zum Boboli-Garten zu bummeln wie eine normale Touristin. Aber ein anderer Teil von ihr, der mütterliche Teil, wollte wissen, was mit ihm los war, um zu sehen, ob sie ihm irgendwie helfen konnte.
Ingrid musste an einen Tag in dem dunkleren Teil ihrer Vergangenheit denken, als sie ihre kleinen Jungs unbeaufsichtigt zu Hause alleine gelassen hatte und in einen nahegelegenen Park gelaufen war, wo sie sich auf einer Bank versteckte, schluchzend, bis ihre ältere Nachbarin zufällig vorbeikam. Sie hätte ihre Kinder für immer verlassen, dachte Ingrid, wenn Mrs McArthur nicht gewesen wäre mit ihrem weisen Rat, dass man manchmal froh sein konnte, den Tag zu überstehen, ohne jemanden getötet zu haben – und dass das schon ziemlich gut war.
Sie hatten Händchen gehalten, sie und ihre alte, verwitwete Nachbarin, bis Ingrid spürte, wie ein kleiner Funke der Liebe für ihre lauten Kinder und ihren zerstreuten Ehemann wieder aufflackerte. Dann waren sie beide nach Hause gegangen, und Mrs McArthur hatte ihr geholfen, die Kleinen zu füttern und zu baden und ins Bett zu legen.
Manchmal, dachte Ingrid, brauchte man nur jemanden, der einem sagte, dass es eine große Leistung war, nicht ein abscheuliches Verbrechen zu begehen.
Sie legte Messer und Gabel beiseite und beugte sich über den Tisch, um Daniels Kinn in die Hand zu nehmen und hochzuheben, damit er ihren Blick erwiderte. »Sieh mich an«, befahl sie. »Ich habe kein Interesse daran, dir irgendwelche Schwierigkeiten zu machen. Du kannst dich also entspannen, okay? Ich fahre zu meinem Mann, den ich übrigens anbete, nach Milano, sobald seine Konferenz zu Ende ist, und du wirst mich nie wiedersehen oder jemals wieder von mir hören. Aber in der Zwischenzeit würde ich gerne mein völlig überteuertes Mittagessen genießen an diesem spektakulären Ort, also gönn mir das doch ein wenig, ja?«
»Es tut mir leid, Ingrid«, sagte Daniel und zog den Kopf aus ihrem Griff. »Wirklich. Ich bin im Moment einfach keine gute Gesellschaft.«
Sie überlegte, ob sie ihn fragen sollte, ob er ihren Rat hören wollte, beschloss dann jedoch, ihm diesen einfach zu geben.
»Du bist ein charmanter, gut aussehender Mann in den besten Jahren, Daniel. Eine bessere Gesellschaft kann es eigentlich nicht geben. Willst du mir sagen, was los ist? Ich bin seit dreiundfünfzig Jahren auf diesem Planeten, dreißig davon glücklich verheiratet mit demselben fehlerhaften, aber liebenswerten Menschen, und weiß das eine oder das andere. Vielleicht kann ich dir helfen.«
Es gefiel ihm, dass sie ihm ihr Alter verriet, denn sie sah definitiv jünger aus als dreiundfünfzig. Er lächelte, und während sein Gesicht sich entspannte, tat das auch ein anderer Teil von ihm.
»Du behauptest also, glücklich verheiratet zu sein, und trotzdem treibst du dich hier in Florenz mit mir herum«, sagte er, halb scherzend.
»Ich treibe mich nicht mit dir herum auf eine Art, die meinen Mann beunruhigen müsste«, erwiderte Ingrid. »Ich mache mir Sorgen um dich. Und ich habe nicht behauptet, dass meine Ehe perfekt ist. Ich bezweifle, dass es eine perfekte Ehe gibt, aber meine ist ganz sicher glücklich. Wie wir das anstellen ist unsere Sache. Ich habe meine Art, und Richard hat mit Sicherheit seine, aber der Punkt ist, dass wir es gemeinsam hinbekommen.«
Daniel fiel es nicht schwer, sich Ingrid und ihren Arzt
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