Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
Beeren auf dem Kuchen explodierten auf ihrer Zunge.
»Mmm, köstlich«, sagte sie und schob sofort den nächsten Bissen hinterher.
Alessandro lachte.
»Sie sind nicht die Erste, die Signora Benedictis Crostata di more unwiderstehlich findet«, sagte er.
»Unwiderstehlich? Das Zeug macht praktisch süchtig. Vielleicht streut sie Kokain darüber«, scherzte Lily.
»Nun, Signora Benedicti ist eine ganz normale alte italienische Witwe«, erwiderte er achselzuckend. »Darum würde es mich wundern. Aber man kann nie wissen.«
Lily beobachtete, wie Alessandro sein Kuchenstück verputzte und anschließend ein zweites und zum Schluss den Rest, den sie übrig gelassen hatte. Es war offensichtlich, woher er seinen Bauchumfang hatte, aber er hatte sich trotzdem gut gehalten, dachte sie, während er den restlichen Kuchen Schicht für Schicht in Plastikfolie einwickelte, um sich selbst daran zu hindern, wie er ihr sagte, den ganzen Kuchen noch vor Mittag zu vertilgen.
Es schien seltsam intim zu sein, einem Mann beim Aufräumen seiner Küche zuzusehen.
»Sie leben hier alleine?«, fragte sie.
»Ja, seit meine Frau gestorben ist«, antwortete er, und sie konnte sehen, wie die Anspannung in seine Schultern hochwanderte, während er redete.
»Tut mir leid, Alessandro, ich wollte nicht aufdringlich sein.«
»Sie sind nicht aufdringlich. Es ist nur … schwierig.«
Hier lag also die Ursache für seine Traurigkeit. Sie war roh; kein Wunder, dass er sie immer noch an der Oberfläche trug. Lily zog sich taktvoll zurück, um sich frisch zu machen und ihren BH wieder in die richtige Position zu bringen. Als sie zurückkehrte, bat sie Alessandro, ihr das Grundstück zu zeigen.
Draußen im Gemüsegarten bekam sie plötzlich Kopfschmerzen, aber sie machte ihre Sache trotzdem gut, während sie Interesse dafür heuchelte, dass seine Tomaten so prächtig wuchsen und seine Bohnen so gerade. Er züchtete auch Äpfel, wie er ihr erzählte, und Trauben, aus denen sein Nachbar seinen eigenen Wein kelterte, und natürlich waren da noch die Oliven, viel besser als die spanischen und weit überlegen den noch schlechteren griechischen, die laut Alessandro ein Öl ergaben, das wie Kerosin schmeckte.
Vor seiner Scheune verflog Lilys Kater jedoch augenblicklich, als er das Tor aufschob und dahinter, ähnlich einem riesigen Walkadaver, der fast die gesamte Länge des Gebäudes einnahm, eine Gondel zum Vorschein kam.
Sie war unvollendet, aber schließlich wusste selbst jemand, der nie in Venedig gewesen war, wie eine Gondel aussah. Und selbst jemand, der nie in Venedig gewesen war, wusste, dass Gondeln dort sehr beliebt waren, weil es viel Wasser gab und keine Straßen.
In der Toskana hingegen gab es kein Wasser und viele Straßen. Steile Straßen. Selbst wenn die ganze Gegend überflutet wäre, würde eine Gondel völlig nutzlos sein. Völlig.
»Alessandro, das ist … tja, das ist …«
»Unglaublich, no ? Ich habe sie selbst gebaut im traditionellen Stil, obwohl es nicht mehr weit her ist mit der Tradition. Der Gondelbau ist eine aussterbende Kunst, wie ungefähr alles andere auch.«
Er nahm einen Schleifklotz in die Hand und begann, eine Seite des unvollendeten Boots zu schmirgeln. Die Sonne strömte herein durch das offene Scheunentor und warf ein goldenes Licht auf die Gondel und auf Alessandro, dessen schöne Stirn gefurcht war vor Konzentration.
Lily blickte hinaus auf das meilenweit reichende, saftige Festland und dann wieder auf Alessandro, der sorgfältig sein Boot bearbeitete.
»Ich weiß, ich habe nicht gerade den besten Orientierungssinn«, sagte sie, »aber sind wir hier nicht weit weg von Venedig?«
Er hielt inne, legte den Arm auf die Seite der Gondel und wischte sich über die Stirn.
»Niemand legt heute mehr Wert auf Tradition«, sagte er, und auch das schien ihn traurig zu stimmen. »Niemand kümmert es, dass die Gondelbauer aussterben und niemand sie ersetzt und es eines Tages keine traditionellen Gondeln mehr geben wird.«
»Aber müssen sie unbedingt traditionell sein? Kann es nicht eine moderne Version geben, die vielleicht wirtschaftlicher ist, um gebaut zu werden?«
»Manche Dinge können sich mit der Zeit ändern und ihrem Zweck trotzdem treu bleiben, ja, davon bin ich überzeugt, aber modernisieren Sie eine Gondola, und es ist keine Gondola mehr. Nicht alles muss unbedingt traditionell sein, aber manche Dinge schon. Wenn wir nicht an unseren Traditionen festhalten, was wird dann? Ohne Tradition haben wir
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