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Cantz schoen clever

Cantz schoen clever

Titel: Cantz schoen clever Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Cantz
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kein Klopapier – sie benutzen stattdessen einfach Geldscheine.
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    Besonders die Japaner greifen gern tief in die Schüssel … äh, ich meinte, in die Tasche, wenn es um ihre Toilettenausstattung geht. Im Land der aufgehenden Sonne sindmoderne computergesteuerte und programmierbare Hightech-Toiletten, sogenannte Washlets , seit Jahrzehnten der letzte Schrei. Diese Edel-Klos, die sich in beinahe jedem japanischen Haushalt finden, warten mit vielfältigen Zusatzfunktionen auf, wie zum Beispiel mit regulierbarer Reinigungsfunktion, Sitzheizung, MP 3-Player, Massagefunktion, Klimaanlage, Raumdeo, Trockengebläse und automatischem Deckelöffner. Wenn das Superklo auch noch fotografieren könnte, wäre es die einzige Toilette der Welt, die mehr kann als ein iPhone. Nur machen muss man noch selbst.
    Diese technisch aufwendigen Washlets sind natürlich nicht billig. Jeder kann das halten, wie er will, aber ich persönlich würde niemals über 1000 Euro für eine Klobrille ausgeben. Egal, was sie kann. Ich tue mich ja schon schwer, an der Autobahnraststätte die Räumlichkeiten aufzusuchen, seit der Spaß 70 Cent kostet. Der Toiletten-Betreiber Sanifair hat 2010 an über 360 Raststätten die Gebühren für die Toilettenbenutzung erhöht, und zwar gleich um satte 40 Prozent.
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    GUT ZU WISSEN
    Eintrittspreise – ein Vergleich:
    Rock am Ring : 140,00 €
    Europapark Rust : 36,00 €
    Frankfurter Buchmesse : 15,00 €
    Eiffelturm, Paris : 13,40 €
    Museo Prado, Madrid : 10,00 €
    Pascha Köln : 5,00 €
    Sanifair : 0,70 €
    Streichelzoo Köln-Lindenthal : gratis
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    Auch wenn drei Minuten Keramik-Abteilung an der Autobahn wesentlich günstiger sind als eine Karibikkreuzfahrt für zwei Personen: 70 Cent für eine Toilettenbenutzung finde ich happig. Für jemanden mit Sextaner-Blase kann das Pinkeln auf der Urlaubsfahrt unter Umständen teurer werden als das Tanken. Für das Geld wird dem Benutzer allerdings auch etwas geboten: Außer der Sauberkeit der Anlage, die eigentlich selbstverständlich sein sollte, erwartet den Bedürftigen unter anderem leise dahinplätschernde, belanglose Musik, die aus geschickt versteckten Lautsprechern perlt. Mich erinnert das an Fahrstuhlmusik. Ich habe immer Angst, dass ich auf der Schüssel hocke, es macht »Pling«, die Tür geht auf, jemand steht direkt vor mir und fragt: »Wollen Sie auch in den dritten Stock?«
    Ich war schon einmal Gast in einer Sanifair-Anlage, die meinen Aufenthalt mit lieblichem Vogelgezwitscher vom Band begleitete. Ich dachte, ich sitze im Wald! Das Gefühl hatte ich auf den ehemaligen verdreckten Autobahn-Klos zwar auch, aber da lag das an den Ameisen, die mir über die Füße liefen.
    Außerdem werde ich dank Sanifair durch Reklametafeln an den Innenseiten der Kabinentüren über die aktuellsten Neuigkeiten aus der Welt der Kamin- und Kachelöfen informiert. Seit Jahren. Darum sage ich es jetzt einmal laut und deutlich, und ich bin sicher, dass ich auch für viele andere Männer spreche:
    LIEBE LEUTE VON SANIFAIR! WIR WOLLEN KEINE KACHELÖFEN KAUFEN! NICHT JETZT, NICHT NÄCHSTES JAHR UND AUCH NICHT IN ZEHN JAHREN! ALSO GEBT UNS WAS ANDERES ZU LESEN! EGAL, WAS! HAUPTSACHE, IRGENDWAS ANDERES! BITTE!
    Was hängt eigentlich bei den Frauen? Wahrscheinlich der neue Roman von Ken Follett. Das würde zumindest erklären, warum meine Frau immer Ewigkeiten braucht, bis sie wieder herauskommt.
    Von den 70 Cent, die man am Drehkreuz des Sanifair-Universums löhnen muss, kann man 50 Cent bei einem Einkauf im Shop der Raststätte verrechnen lassen. Man muss einfach nur den Bon abgeben. Daraus ergibt sich folgende goldene Regel: Erst schiffen, dann shoppen! Denn wer in umgekehrter Reihenfolge verfährt, sammelt im Laufe der Jahre Bons im Wert eines Einfamilienhauses an.
    Oder er stellt sie bei Ebay ein. Es gibt tatsächlich Menschen, die online Klo-Bons ersteigern. Als ich das letzte Mal nachsah, wurden auf 40 Bons mit 20 Euro Nennwert 14,62 Euro geboten. Anders funktioniert der internationale Devisenhandel auch nicht. Außer, dass man nicht zum Klo, sondern zur Bank geht, um an die Papiere zu gelangen.
    Die Sanifair-Bons sind also so etwas wie eine eigene, beneidenswert stabile Währung: Sie werden international gehandelt, Busfahrer und Toilettenpersonal nehmen sie gerne als Trinkgeld in Empfang, und man kann damit seinen Einkauf bezahlen. Allerdings nur, wenn man mindestens zwei Bons hat. Mit 50 Cent allein kann man in einer Autobahnraststätte keine großen Sprünge

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