Capitol
den Nebenwetten gewonnen, die illegal aber eine sehr sichere und angenehme Investition waren.
Gegen ihn wettete niemand besonders hoch – wenn er auf sich selbst setzte, war sein Gewinn nur 17 Prozent. Aber das war besser als die Rendite auf Sparzertifikate oder Regierungsanleihen.
»Herman«, sagte ein unauffälliger Mann, der sogar noch kleiner war als Herman Nuber.
»Hallo Grey«, sagte Nuber.
»Gut aufgewacht?«
»Natürlich.« Grey Glamorgan war ein guter Manager. Obwohl er eine Art Finanzgenie war und über viele gute Verbindungen verfügte, vergaß er nie, daß er selbst nicht im Geschäft war. Zuverlässig. Der geborene Untergebene. Herman umgab sich gern mit Männern, die kleiner waren als er.
»Nun?« fragte Grey.
Herman wirkte unbeteiligt. »Italien kaufen natürlich.«
Und Grey nickte. Es war eine Art Ritual, aber die Spielregeln schrieben vor, daß ein Anteil am Spiel nur dann erworben werden konnte, wenn der Spieler wach war – ständig mußte ein Spieler am Computer sein, der sich gerade in seiner Wachperiode befand.
Nun, ich bin wach, sagte Herman. Und wenn sich nichts allzusehr verändert hatte, war dies die Wachperiode, in der er das große Spiel machen würde – er würde das Spiel beenden, indem er die Welt eroberte.
Die Computerwand war schon warmgelaufen, als er seine Wohnung erreichte – wieder eine von Greys aufmerksamen Gesten. Wie immer tat sich Herman die Qual an, den Bildschirm zu ignorieren; er wollte einfach nicht hinschauen; er tat so, als warte kein Computer auf ihn, während er einen Gang durch die Wohnung machte, um festzustellen, ob alle Vorbereitungen richtig getroffen waren. Herman war nicht eigentlich reich; nur einigermaßen wohlhabend. Er konnte es sich nicht leisten, eine leere Wohnung zu finanzieren, während er unter Somec stand. Statt dessen wurden seine Halbseligkeiten Jedesmal entweder ausgelagert oder verkauft. Eines Tages, dachte er, werde ich allerdings reich genug sein. Eines Tages werde ich eine wirklich hohe Somec-Ebene erreichen, zum Beispiel fünf Jahre unter Somec und dann eine Wachperiode von drei Monaten. Und ich werde eine Eigentumswohnung besitzen, nicht nur für diese Zeit eine Wohnung mieten.
Das war natürlich der Traum aller. Der Plan aller. Und nur einer von sieben Millionen Leuten im Reich schaffte es.
Endlich – er hatte seinen Orangensaft getrunken, das Bett gerichtet, die Frau für die Nacht bezahlt und ausgesucht, und war zur Toilette gegangen – setzte er sich bequem in den Sessel vor der Computereinheit. Aber noch ließ er den Bildschirm dunkel. Er gab den Code für Europa 1914d ein.
Mit zweiundzwanzig Jahren hatte er erstmals beschlossen, einen Teil seines Geldes in das teure Hobby Internationale Spiele zu investieren. Das hatte ihn zwei Monatsgehälter gekostet, und er hatte zu Beginn eines neuen Spiels nur eine drittklassige Position in Italien kaufen können. Er hatte Europa gewählt, weil er sich schon in den kleineren Spielen auf Strategien des zwanzigsten Jahrhunderts spezialisiert hatte. Und jetzt, in einem Spiel, das interplanetarisch übertragen wurde, würde er schon sehen, ob er wirklich so gut war, wie er gedacht hatte.
Ich bin so gut, sagte er sich, als er das Hologramm aufblitzen ließ. Der Globus erschien auf dem Bildschirm, und er studierte ihn. Zuerst wurden die Wetterformationen gezeigt; dann die politische Karte.
»Wie steht’s?« fragte Grey, der leise hinter Herman aufgetaucht war.
»Wunderbar. Niemand hat etwas Voreiliges versucht. Gut aufgepaßt.«
Italien war auf der Karte rosa abgebildet. Herman erinnerte sich an den Anfang – ein gerade geeintes Italien, schwach und noch unentschlossen, ob es sich Deutschland und Österreich-Ungarn anschließen sollte. Im tatsächlichen zwanzigsten Jahrhundert hatte es in Italien vor dem Krieg von 1914 keinen mächtigen Mann gegeben. Der erste war dieser einfältige Mussolini. Aber in Europa 1914d hatte Italien Herman Nuber, und, obwohl er ein drittklassiger Spieler war, hatte er recht oft auf sich selbst gesetzt – und auf Italien.
Es dauerte drei Jahre, bevor seine normale Arbeit Herman genügend Geld einbrachte, um Somec zu nehmen. In dieser Zeit hatte er geheiratet, eine Tochter gezeugt und sich wieder scheiden lassen. Keine Zeit für die Ehe. Ihr gefiel es nicht, wenn er die ganze Nacht bei seinem Spiel verbrachte. Aber auf lange Sicht hatte es sich gelohnt. Es hatte ein wenig wehgetan, es hatte emotionale Szenen gegeben, aber am Ende der drei Jahre hatten
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