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Cappuccino fatale

Cappuccino fatale

Titel: Cappuccino fatale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Corda
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und bestelle mir noch einen
Kaffee. So euphorisch ich war, zu diesem Termin fahren zu dürfen, umso unwohler
ist mir jetzt, als Deutsche, zusammen mit einer Schickimicki-Mailänderin den
Bossen von Napolone ihr Kaffeegeschäft zu erklären.
    Nach meiner Kaffeepause schlendere ich über eine stark befahrene
Einkaufsstraße Neapels in Richtung des Napolone-Hauptsitzes. Schnell finde ich
heraus, wie der Straßenverkehr hier geregelt ist: Die Autos fahren an, sobald
die Ampel auf Rot schaltet. Bei grünem Licht hingegen kommt der Verkehr
komplett zum Erliegen. Das bedeutet für die Fußgänger, dass sie die Straßen
einfach irgendwann überqueren, wenn ihnen gerade danach ist.
    Dabei setzt ein jeder sich kontinuierlich dem Spagat des Aufpassens
und Ignorierens aus. Schaut man allzu auffällig nach rechts und links, gilt man
als defensiv und die Autofahrer geben Gas. Bei großem Pech steht man dann einige
endlose Minuten inmitten des wirbelnden Verkehrs auf der Straße. Ignoriert man
den Verkehr hingegen zu stark, läuft man Gefahr, von einem telefonierenden,
rauchenden und Frauen hinterherschauenden, nicht multitaskingfähigen Fahrer
überrollt zu werden. Eine hoffnungslose Situation. Jedenfalls für mich. Nach
dem Überqueren einer Straße bin ich jedes Mal so voller Angst, dass ich mich
zum Atemholen hinsetzen und mir die nasskalten, zitternden Finger an der Hose
abwischen muss.
    An einer Kreuzung in der Nähe des Doms trifft es mich erneut: Ich
muss über die Straße. Unentschlossen lungere ich am Bordstein herum und
beobachte angespannt einige Rot-Grün-Ampelphasen in der Hoffnung, einen
tieferen Einblick darüber zu erhalten, wie ich hier am besten ans andere Ufer
gelangen könnte. Eine Schülergruppe rumpelt an mir vorbei und wuselt wie
Ameisen auf die Kreuzung. Ich starre gebannt auf die kleinen Jungen in ihren
blauen Schuluniformhemden und den Ranzen auf dem Rücken, die unbeeindruckt
zwischen den quietschenden und hupenden Autos geradezu hindurchdiffundieren,
als wäre dies das Normalste der Welt.
    Plötzlich hupt es direkt neben mir. Ich schreie vor Schreck auf und
bekomme einen Schlag auf den Rücken. Etwas zieht an mir und die Wucht wirft
mich zu Boden. Als ich mich wieder aufrichte, sehe ich zwei Kerle auf einem
Motorroller im kunstvollen Slalom zwischen den endlosen Autokolonnen davonbrausen.
    »Mein Koffer!«, brülle ich auf Deutsch und springe auf, »Halt! Die
haben meinen Koffer!«
    Hektisch schaue ich mich um. Die Passanten rechts und links von mir
blicken mich teilnahmslos an und gehen unbeirrt weiter. Niemand bleibt stehen,
niemand scheint meinen Überfall und Sturz auf dem Bürgersteig gesehen zu haben,
geschweige denn davon beeindruckt zu sein. Ich lehne mich an einen Straßenpfeiler
und hole tief Luft. Meine Kleidung ist von oben bis unten mit Staub bedeckt.
Ich kann nicht mal versuchen, ihn mir notdürftig abzuklopfen, weil meine Hände
noch viel schmutziger sind und ich alles nur schlimmer machen würde.
    Daher schleppe ich mich in die nächstgelegene Bar, wo ich mir in
einem ungeputzten WC die Hände wasche und mir eine
Cola bestelle. Ich zittere am ganzen Körper und atme flach. Ich bin gerade
überfallen worden. Am helllichten Tag auf offener Straße. Ich kann es nicht glauben.
    Gott sei Dank, durchfährt es mich, dass ich meine Handtasche noch
habe. In der ist alles, wirklich alles drin, was ich dringend brauche. Nur
meine sorgfältig geringelte Präsentation und die liebevoll geklebten Pappen
sind nun auf dem Weg ins Hauptquartier von Räuber Hotzenplotz. Die beiden Diebe
werden sich schön ärgern, wenn sie sehen, welch nutzlosen Fang sie mit meinem
Koffer gemacht haben. Ich hingegen stehe nun doch mit nur einem schnöden USB -Stick in der Hosentasche vor einem der wichtigsten Kundentermine
meines Lebens.

10.
    Eine Viertelstunde später stemme ich mich gegen die
gläserne Eingangstür mit den goldenen Rahmen und Griffen und betrete eine
luxuriöse, mit Marmor und edlem Holz verkleidete Lobby. Gleich neben der Tür
ist eine antike Kaffeeröstmaschine ausgestellt – ganz so, als wolle Napolone
dem beeindruckten Besucher gleich zeigen, dass man hier im Hause noch weiß, wo
man ursprünglich herkommt, und sich stets auf die Wurzeln des Unternehmens
besinnt: Kaffeebohnen rösten.
    Maria wartet bereits auf mich. Sie wirkt wie immer wie aus dem Ei
gepellt in ihrem beigen Kostüm und mit ihren langen Beinen, die in sichtlich
teuren Stiefeln mit Stilettoabsätzen stecken. Entsprechend entsetzt

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