Cappuccino fatale
deutlich
verweinten Visage, sagen aber nichts.
Ich erzähle von meinen gestrigen Erlebnissen in Neapel und von
unserem unkonventionellen und dennoch erfolgreichen Kundentermin. Von Paolo
erwähne ich nur, dass »auch der Vertriebsleiter anwesend war«, aber selbst
dabei bleibt mir fast das Herz stehen. Alle am Tisch müssen merken, was dieser
Mann in mir angerichtet hat, denke ich.
Am Nachmittag ruft mich Simona ins Büro, als ich gerade
mit einer Kollegin auf dem Gang stehe.
»Nina, Telefon für dich«, brüllt sie. »Un
signore«, fügt sie mit leicht spöttischem Unterton hinzu.
Paolo! Ungewollt hektisch lasse ich die Kollegin stehen, stürze ins
Büro und presse ein hastiges »Stell rüber« zu Simona hervor.
»Signore, jetzt ist sie wieder im Raum. Ja, einen Moment, ich
verbinde Sie. Auf Wiederhören.« Sie drückt auf ein paar Tasten herum und
stöhnt. »Ach herrje, wie ging das noch? Wie ist noch mal deine Durchwahl?«
Stefano blickt ungehalten von seiner Arbeit auf. »Du musst die
Rautetaste drücken und dann auf interno tre «, weist
er sie ungeduldig an. »Seit wann üben wir das schon?«
Ich unterdrücke das Bedürfnis, mich auf meine Kollegin zu stürzen,
und versuche, ruhig zu atmen. Macht sie das mit Absicht?
Endlich klingelt mein Telefon.
»Pronto?«
»Bin noch dran«, sagt Simona durch den Raum. »Ich lege dann jetzt
auf.«
Aargh!
Noch mal: »Pronto?«
»Ciaooo«, schallt die ausgelassene junge Stimme meines Vermieters
durch den Hörer, » come stai, wie geht’s?«
»Ah, Giorgio«, antworte ich lahm. Die Enttäuschung ist riesig, »mir
geht’s gut. Und dir?«
» Bene, bene, grazie . Ascolta, hör zu, ich rufe dich an, weil ich deine Hilfe brauche …«
Ich stehe immer noch so sehr unter Anspannung, dass ich ihm kaum
zuhören kann.
»Ich brauche deine Unterstützung«, fährt Giorgio ungerührt fort,
»nächste Woche, für meine Arbeit.«
»Für deine Arbeit? Als Masseur?«
»Genau, meine Damen kommen nämlich.«
»Welche Damen?«
»Meine Massagedamen. Die treffen sich einmal im Monat bei mir zu
einem Wellnessabend.«
»Zu einem Well-ness-abend?« Ungläubig betone ich jede Silbe einzeln.
»Bei dir? Und was habe ich damit zu tun?«
»Ich brauche jemanden für die Bewirtung. Il
cät-tä-rin-ge «, benutzt er umständlich den englischen Begriff dafür.
»Für das Catering?«
»Ja, du könntest den Damen Cracker, Kaffee und Getränke anbieten.«
»Und dafür rufst du mich im Büro an?« Ich bin platt.
»Ja, wo denn sonst?«, fragt er unschuldig. »Mein Beruf ist doch auch
wichtig und nicht nur der einer Werberin für Kaffeebohnen«, setzt er trotzig
hinzu.
»Okay«, füge ich mich ratlos. Besser nicht diskutieren, sage ich
mir. »Also, du möchtest, dass ich den Damen die Getränke bringe«, nehme ich
stattdessen das Thema wieder auf.
»Ja, ich würde mich natürlich um die Einkäufe kümmern.«
»Oh, das ist sehr freundlich von dir, Giorgio. Aber wie hast du das
gemacht, bevor wir uns kannten?«
»Daaa«, kommt die gedehnte Antwort, »kannte ich immer jemanden, der mir geholfen hat, verstehst du?«
»Verstehe. Ist gut, ich kann das übernehmen.«
» Benissimo, grazie. Dann noch einen
schönen Tag im Büro. Wir sehen uns erst morgen, bella, weil ich heute Abend wieder ausgehe.«
»Tanzen?«
»Ja, tanzen«, bestätigt er.
»Gut, dann viel Spaß und bis morgen.«
Wir verabschieden uns und ich lege auf.
»Na, das war ja mal ausgesprochen herzlich«, meldet sich Simona zu
Wort, die lustlos ein paar Unterlagen sortiert und mir das gesamte Telefonat
lang unverhohlen zugehört hat.
Auch Stefano schaut grinsend zu mir herüber.
»Ja, da könnt ihr mal sehen«, schnauze ich die beiden an, greife mir
ein paar Unterlagen und verlasse erhobenen Hauptes den Raum.
Erst kurz vor acht Uhr mache ich Feierabend. Ich musste
noch abwarten, bis es in der Agentur ruhiger wurde, um die verlorenen
Präsentationen und Pappen neu auszudrucken, zu ringeln und zu kleben. So kann
ich Stefano von der drohenden Ausrede befreien, er habe unser aktuelles
Präsentationsmaterial in den Müll geworfen. Er hat Glück, dass sie ihm die
Blitzgrippe abgenommen haben, daher will ich ihn nicht noch weiter in
Lügengebäude verstricken.
Als ich nach Hause komme, ist Giorgio bereits in seinen Tanzclub
abgerauscht. In der Küche hat er mir eine Portion Gnocchi in Salbeibutter übrig
gelassen, die ich mir nur aufzuwärmen brauche. Ich entkorke eine Flasche
Rotwein, schalte den Fernseher ein und lasse mich
Weitere Kostenlose Bücher