Cappuccino fatale
legt
prüfend den Kopf schief. Mir ist glühend heiß.
»Daher«, fährt Maria fort und beginnt wie immer als Erste, ihre
Sachen zusammenzupacken, »werden wir sehen, wie das Projekt weiterläuft. Nina,
schreibst du bitte ein Gesprächsprotokoll und schickst es mir zur Freigabe?«
Ich beschließe, nicht darauf zu antworten, weil die Ansage sowieso
ein Befehl und keine Frage ist.
»Gut«, schließt Maria die Besprechung, » quindi,
tutto a posto . Damit wäre dann alles klar.«
Für sie vielleicht.
Anstatt mit Stefano zurück ins Büro zu gehen, schlage ich
die andere Richtung ein und trotte ziellos durch den Flur. Am Ende des Ganges
liegt der rettende Materialraum, in den ich schnell hineinschlüpfe. Ich mache
die Tür hinter mir zu und lehne mich an den Besenschrank.
Ich brauche jetzt einen Moment für mich. Tausend Gedanken wirbeln
mir durch den Kopf. Was sich hier anbahnt, fühlt sich alles andere als gut an.
Lieber würde ich meinen Gedanken an Paolo nachhängen und mich sorglos auf unser
gemeinsames Wochenende in Rom freuen, aber das hat mir der heutige Tag gründlich
verdorben. Was ist nur mit Maria los? Ob sie irgendetwas ahnt? Im Grunde könnte
ihr das doch egal sein …
Plötzlich geht die Tür auf. Lidia kommt herein und schaltet das
Licht an.
»Was machst du denn hier in unserer traditionellen Trauerkammer und
das auch noch im Dunkeln?«, fragt sie scherzend.
Sehr witzig.
Sie kommt auf mich zu und legt mir die Hand auf den Unterarm. »Was
läuft hier?«, will sie wissen, »Was ist in Neapel passiert? Was Schlimmes?«
»Ja. Nein. Ich weiß es nicht.«
»Eh?«
»Ich habe mich verliebt, denke ich.«
»Aber das ist doch schön.«
»Da bin ich mir nicht so sicher …« Meine Stimme gerät ins Schwanken
und ich beiße mir auf die Lippen.
»Ist es etwa …« Lidia zieht die Augenbrauen hoch und deutet mit dem
Kopf in Richtung Konferenzraum.
Ich nicke.
»Sergio Conti?«
»Nein!« Jetzt muss ich lachen. »Nein, nicht der. Aber sein
Vertriebsleiter.«
»Ach, der, mit dem wir die nächsten Wochen zu tun haben werden?«
»Ja, genau der.« Ich hole tief Luft.
»Ja aber …« Man kann ihr ansehen, wie die Rädchen in ihrem Kopf
rattern. »Ist das denn so schlimm? Er kann doch gar nicht wissen, dass du in
ihn verknallt bist. In dem Strategie-Meeting wird er das wohl kaum gemerkt
haben.«
»Es war nach dem Meeting.«
»Ihr wart danach zusammen?«
Ich nicke erneut.
»Pfff!« Lidia lehnt sich neben mich an den Besenschrank. »Nina«, sie
guckt mich tadelnd an, » never fuck the client !«
»Hab ich ja gar nicht«, sage ich trotzig.
»Willst du aber«, gibt sie ebenso trotzig zurück.
Wo sie recht hat, da hat sie recht.
»Und nun?«, will sie wissen.
»Wenn ich das wüsste, stünde ich nicht hier im Dunklen zum
Nachdenken in der Besenkammer«, sage ich und gehe hinaus.
15.
Der Rest Woche kriecht nur so dahin. Könnte ich Stunden
und Tage töten, würde ich es sofort tun. Meine Highlights sind ein paar E-Mails
von Paolo, die mal – espressobezogen – an das ganze Team, mal – privat – nur an
mich gerichtet sind und mich jedes Mal in helle Aufregung versetzen.
Dann ist endlich Freitag. Sträflich früh schleiche ich mich aus der
Agentur, in der Hoffnung, dass es keiner merkt und Simona und Stefano
stillschweigen. Ich nehme die U-Bahn zum Hauptbahnhof und reihe mich in der biglietteria in die lange Schlange wartender Kunden ein.
Schon nach siebenundzwanzig Minuten bin ich dran. Der dickliche, unmotivierte
Bahnangestellte hinter der Vollverglasung guckt mich desinteressiert an, ohne
sich auch nur ein »Sie wünschen?« abzuringen.
»Bitte nennen Sie mir die nächsten Verbindungen nach Rom«, rufe ich
ihm zu und bücke mich zu dem winzigen Spalt in der Scheibe, in der Hoffnung,
dass mich der Typ auf der anderen Seite hören kann.
Gelangweilt murmelt er etwas, das ich nicht verstehe, und hackt auf
einen Rechner aus den späten Achtzigerjahren ein.
»Wie bitte?«, brülle ich zurück und verstärke die in Italien
kundentypische demütig gebückte Körperhaltung, um mit der Person auf der
anderen Seite der Glasscheibe kommunizieren zu können.
Der Dicke faselt irgendwas von Schnellzug und rattert einige
Uhrzeiten herunter, die ich wieder nicht verstehe. Ich drücke den Kopf gegen
die Scheibe und versuche verzweifelt zu erkennen, welche Zeiten ihm der Monitor
wohl gerade anzeigt.
Da regen sich zum ersten Mal Emotionen auf dem stoischen Gesicht
meines Gegenübers: blanke Empörung über
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