Cappuccino fatale
Vermieter unseren barista über den Tresen hinweg. »Daher müssen wir uns jetzt alle zu Violinenklängen in
den Armen liegen.«
»Nina hat einen ragazzo ?«, hakt Luca
geradezu ungläubig nach.
Was soll die Frage? Kannste mal sehen, ein blindes Huhn findet auch
mal ein Korn, denke ich. Und vor allem: Von wegen Korn ,
wenn ich an meine Traumbeute Paolo denke, wird mir ganz warm im Bauch.
»Das musst du sie schon selbst fragen«, antwortet Giorgio
unterdessen, verschränkt die Arme vor der Brust und guckt mich herausfordernd
an.
Ich spüre Lucas Blick auf mir und merke plötzlich, dass die Stimmung
kippt. Der barista steht sichtlich betroffen mit dem
Spültuch in der Hand da, die Mundwinkel angespannt, die Stirn in Falten
gezogen. Er wirkt mit einem Mal sehr traurig.
»Äh«, fange ich an, »ich … also ich kann das noch nicht so sagen.«
Ich zögere. Hier ist etwas im Gange, wovon ich definitiv nichts geahnt habe.
Luca atmet tief aus, lässt die Schultern hängen und beginnt,
schmutzige Tassen und Löffel in einen Geschirrspülkorb zu werfen. Dabei macht
er mehr Krach als nötig. Ich pule nervös an einer Erdnuss herum, die ich mir
aus der Schale vom Tresen genommen habe, und schaue mich hilflos nach Giorgio
um. Der zuckt nur entschuldigend die Achseln und rollt die Augen. Mistmistmist!
Luca hat mich nie direkt spüren lassen, dass er mich vielleicht … Und nun so
was.
In diesem Moment fliegt die Tür auf und eine grell geschminkte Dame
im Alter von Giorgios Zielgruppe stürmt in einem rosa Regenmantel herein.
»Huh, was für ein Wind da draußen«, begrüßt sie den ganzen Laden
lautstark.
Lucas Mutter hinter der Kasse runzelt nur kurz die Stirn und
vertieft sich wieder in ihr Kreuzworträtsel.
» Amooore, ciaooo .« Sie eilt auf Giorgio zu
und gibt ihm einen geräuschvollen Schmatzer auf den Mund.
Mir stellen sich die Nackenhaare auf. Was hat diese Frau, was die
arme Elvira von neulich nicht hatte? Luca und ich wechseln fragende Blicke.
»Darf ich bekannt machen? Das ist Loretta«, informiert uns Giorgio
und stellt ihr Luca und mich vor.
» Quanto sono lieta! Ich bin hocherfreut!«,
ruft Loretta übertrieben begeistert aus. Auch mir drückt sie zwei geräuschvolle
Schmatzer links und rechts auf die Wangen.
» Allora, amore «, wendet sie sich nun
Giorgio zu, der bis dahin in geduckter Haltung hinter ihr verharrt hat, »was
gibt es Neues?« Sie hakt sich vertrauensselig bei ihm unter.
»Och, nichts eigentlich …«
Ich sehe Giorgio förmlich an, dass er sich nicht wohl in seiner Haut
fühlt. Mit einem Mal wird mir klar, was hier gerade passiert: Elvira hatte es
nur bis in die Küche geschafft. Diese Dame hier soll offensichtlich noch vor
der Hausschwelle abserviert werden. Das Dumme ist nur, dass sie davon keinen
blassen Schimmer zu haben scheint. Ich mustere Giorgio streng, der interessiert
seine ungeputzten Schuhe betrachtet.
Auch Luca scheint die Situation begriffen – oder schon mal erlebt? –
zu haben, denn er dreht sich abrupt zur anderen Tresenseite um und sortiert
hochkonzentriert Zuckertüten und Süßstoff in kleine Schälchen.
»Giorginoo«, flötet Loretta nichtsahnend weiter, »wann gehen wir
beide denn mal wieder tanzen? Ich habe die ganze letzte Woche auf deinen Anruf
gewartet«, schmollt sie.
Unterdessen frage ich mich erstaunt, ob teenagerhaftes Kokettieren
vielleicht mit Eintritt der Wechseljahre wieder zur Strategie wird.
»Ich hatte nicht viel Zeit, Loretta.« Giorgio antwortet jetzt in
ganzen Sätzen. »Und ich muss dir leider sagen, dass ich derzeit so stark
eingebunden bin, dass ich den nächsten Tanzkurs nicht mit dir zusammen machen
kann.«
»Was bist du? Eingebunden? « Loretta spitzt
ungläubig die Lippen. »Giorgino, du bist Rentner .«
»Eben!« Giorgino zögert. »Rentner haben am wenigstens Zeit, weil …«
»Weil? Das möchte ich jetzt aber wirklich gerne wissen«, fragt
Loretta fordernd.
»Weil … ich als Rentner nun endlich all das machen kann, was ich am
liebsten tun will.« Nun ist es heraus. Er atmet spürbar erleichtert aus.
Ich halte die Luft an und nuckele peinlich berührt an meinem sprizz, während Luca nervös Tüten aufreißt und mit lautem
Geraschel Chips in kleinen Körben anordnet.
»Und«, Loretta denkt geradezu hörbar nach, »mit mir tanzen zu gehen,
gehört nicht zu den Dingen, die du am liebsten tun willst?«
»Nein.« Wenigstens scheint Giorgio sich ob dieser ungeschminkten
Antwort zu schämen, denn er knubbelt nervös an seinen
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