Cappuccino fatale
gut verheimlichen können.«
»Ja, und das tut mir sehr leid«, versucht Paolo sich zu entschuldigen.
»Weißt du«, druckst er herum, »ich bin gerade in einer schwierigen Phase … Ich
muss dir das mal in Ruhe erzählen, wenn wir uns sehen …«
»Hm«, zögere ich und sage dann doch: »Okay.«
»Hast du am Wochenende schon was vor?«
»Ja«, lüge ich.
»Das ist aber schade«, bedauert Paolo. »Ich habe mir für morgen
Nachmittag extra noch ein paar Termine in Mailand organisiert, sodass wir uns
danach treffen und vielleicht am Wochenende eine kleine Tour an die Seen im
Norden machen könnten«, versucht er es weiter.
»Nun, das wird sich hier und da einrichten lassen.« Himmel, ich
wünsche mir doch in Wirklichkeit nichts sehnlicher, als mit ihm zusammen zu
sein.
»Das wäre schön«, antwortet Paolo. »Dann sprechen wir also morgen
darüber, welche Lücken in deinem Terminkalender du mir reservieren könntest.
Ich würde mich sehr freuen.«
Ich muss lachen. »Einverstanden«, sage ich. »Und … Paolo?«
»Ja?«
»Ich freue mich auch.«
23.
Am nächsten Tag bin ich schon früh in der Agentur. Lidia
und ich haben verabredet, gemeinsam den Beamer aufzubauen, Handouts auszulegen
und den gesamten Konferenzraum auf Perfektion zu überprüfen. Sich auf die Jungs
vom IT -Support zu verlassen, wäre grob fahrlässig. IT -Kollegen haben immer das Privileg, ihre Prioritäten
spontan neu sortieren zu können, um etwa drohende Server-Übel, Computercrashs
oder sonstige Super- GAU s zu verhindern. Niemand
wäre jemals in der Lage, ihnen nachzuweisen, dass sie im Serverraum nicht
einfach nur Brot und Spiele konsumiert haben.
Somit rutschen Lidia und ich morgens um halb neun unter dem
Konferenztisch herum und suchen Stecker, WLAN -Kabel,
sonstige Zwischenadapter und USB -Verbindungen.
Lauter Zeug, das sich die Computerbranche ausgedacht hat, um unbedarfte Frauen
an ihre Grenzen zu bringen.
»Ziehst du mal hier?«, fordert Lidia mich auf. Sie klingt gestresst
und außer Atem.
»Wo?«
»An dem schwarzen, langen Kabel.«
»Die sind alle schwarz.«
»Nein, die meisten sind dunkelgrau. Ich meine das schwärzeste. Guck
mal bitte eben hoch.«
Ich krabbele unter dem Tisch hervor und unsere Blicke treffen sich
auf Augenhöhe direkt über der Tischplatte.
»Hier, dieses Kabel mit diesem eckigen Stecker. Kannst du es bitte
greifen, wenn ich daran ziehe, und unten in die Buchse stecken?«
Ich hocke auf dem Boden und beobachte konzentriert wie eine Katze
vor dem Mauseloch ein Knäuel von Kabeln, das sich auf einmal kollektiv zu
bewegen beginnt. In der Tat, der Tanz geht von einem dicken schwarzen Kabel
aus, das mit dem gesamten Haufen verknotet ist.
»Ich hab’s. So, und welche Buchse?«, will ich wissen und rutsche auf
den Knien herum, während ich verschiedene Steckdosendeckel am Boden absuche.
»Es ist ganz einfach, du musst nur … Aaaaah.«
Lidias Schmerzschrei lässt mich hochfahren. Ich knalle mit der Stirn
von unten gegen die Tischplatte, genau an der Stelle, wo dummerweise ein
kantiger Steg die Tischhälften zusammenhält. Taumelnd sinke ich zurück.
Lidia lässt sich neben mir auf dem Boden nieder. Aus ihrer rechten
Hand tropft Blut, das sie versucht, mit einer Papierserviette aufzufangen.
»Was ist passiert?«, presse ich durch die vor Schmerz
zusammengebissenen Zähne hervor.
»Ich habe in das Cuttermesser gegriffen.«
»Du hast was?«
»Ich habe in das Cuttermesser gegriffen. Es lag offen in meiner
Laptoptasche.«
»Spinnst du, warum hast du das denn da reingetan?« Ich reibe mir die
pochende Stirn, auf der bereits jetzt eine beachtliche Beule wächst.
»Ich habe für solche Meetings immer alles dabei, was man brauchen
könnte. Klebestreifen, Stifte, Zettel, Cuttermesser …«
»Ersatzrock?«, frage ich und deute auf ihren hellen Rock, der
mittlerweile einige Tropfen von der lädierten Hand abbekommen hat.
»Sch … nein!«, ruft sie entsetzt.
Ich schaue auf die Uhr. Erst kurz vor neun, uns bleibt noch gut eine
Stunde.
»Komm: Kaffeepause, würde ich sagen.«
Wir robben unter dem Tisch hervor, versorgen Lidia mit weiteren
Papierservietten und machen uns auf zur Bar an die Ecke, in der geschäftiges
Treiben herrscht. Wie immer drückt sich hier jeder herum, der vor der Arbeit
noch »auf einen Kaffee« ein paar Minuten Zeit schinden will.
Barista Francesca wuselt hinter der Theke
hin und her.
» Buon giorno, Nina. Was hast du denn da am
Kopf?« Sie beugt sich über den Tresen näher zu
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