Cappuccino fatale
sagen.
Wir kehren mit unseren Tellern bewaffnet zurück in das große Zimmer,
in dem das Licht inzwischen gedimmt, die Musik dafür lauter gedreht wurde.
Annabella bewegt sich in der Mitte des Raumes, als habe sie sich
bereits in Trance getanzt. Nun sehe ich auch Renato wieder, der an einen Tisch
gelehnt dasteht, seine Gastgeberin beobachtet und dabei an einem Joint zieht.
Ich traue meinen Augen kaum, aber tatsächlich: Renato raucht.
Eine Frau schleicht schwebend vorbei und streicht ihm wie
selbstverständlich über die Hüfte. Er grinst sie an, hält ihr seinen Joint hin
und wendet sich wieder der Tanzfläche zu, von wo aus ihn Annabella fixiert. Ich
habe plötzlich das sichere Gefühl, dass Renato mit praktisch jeder Frau auf
dieser Feier schon mal geschlafen hat. Und für alle, bei denen das nicht der
Fall sein sollte, gilt: Was bis heute nicht ist, kann ja heute noch werden.
Nun erreicht mich auch der aufdringlich süße Haschgeruch, der durch
den Raum wabert. Bei Eduardo ist inzwischen eine tütchenförmige Zigarette
angekommen, an der er andächtig zieht, um dann Kringel in die Luft gen Himmel
zu blasen.
Vermutlich Liebesgrüße an seinen Zwillingsbruder.
Damit habe ich für heute genug gesehen. Ich will nur noch nach
Hause. Rasch stelle ich meinen Teller auf einem Tisch ab, gehe zur Garderobe,
finde Mantel und Pumps und schlüpfe unbemerkt zur Wohnungstür hinaus.
Draußen hat es aufgehört zu regnen. Ich beschließe, die Tram zu
nehmen und die paar Meter zur nächsten Haltestelle zu laufen. Die frische Luft
tut mir gut. Von der anderen Straßenseite aus sehe ich, dass die Party, die ich
soeben verlassen habe, in vollem Gange ist. Fast alle Partygäste scheinen zu
tanzen, nur in der Fensternische ganz rechts drückt sich ein wild knutschendes
Pärchen hinter der beschlagenen Fensterscheibe herum.
Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und prüfe, ob mir ein Anruf
entgangen ist, was nicht der Fall ist. Zu viele Familienfeiern – da hat man
eben keine Zeit für andere Dinge. Auch nicht für mich, denke ich traurig.
Mit einem Mal komme ich mir wahnsinnig einsam in dieser grauen,
unwirtlichen Großstadt vor. Diese Party hat mir weder als Zaun- noch als
Partygast gutgetan.
22.
Am Tag darauf werde ich von Gelächter und Klirren aus der
Küche geweckt. Ich blinzele zu meinem Wecker auf der Kommode hinüber und
wundere mich: schon kurz nach zehn. Dabei ist es doch am Vorabend gar nicht so
spät geworden.
Ich greife mir meinen Morgenmantel, statte dem Bad einen kurzen
Besuch zwecks Katzenwäsche ab und wanke in die Küche. Dort sitzt mein
senioriger, ewig junger Vermieter mit einer Dame am Küchentisch beim Frühstück,
die eindeutig zu jung ist, um als meine Mutter gelten zu können. Beide
offensichtlich frisch geduscht, mit noch feuchten Haaren und glänzenden Augen.
Giorgio bemerkt mich als Erster. Seine Begleitung verstummt erschrocken, als
sie mich in meinem Aufzug erblickt.
»Buon giorno, cara «, begrüßt er mich und
schaut mich freundlich an.
Sollte ich erwartet haben, dass er uns Damen nun einander vorstellt,
so hätte ich mich geirrt. Er frühstückt unbeeindruckt weiter.
»Guten Morgen, ihr beiden«, stammele ich daher bloß und weiß nun
nicht so recht, wohin mit mir.
Die Dame am Tisch mustert mich neugierig. Offensichtlich hat sie
ebenso wenig von meiner Existenz gewusst wie ich von ihrer, sodass wir nun
beide erpicht auf Informationen sind. Aber Giorgio lässt uns genüsslich
zappeln.
» Caffè jemand von euch?« Er hält die große caffettiera in die Luft und schaut uns fragend an.
»Hm, ja gerne.« Ein Espresso würde mir jetzt das Leben retten. »Darf
ich mich zu euch setzen?«
»Certo.« Die Dame räumt geschäftig ein
paar Dosen und Löffel von dem Platz, den sie mir zugedacht hat.
Ich setze mich neben sie. »Ich bin Nina, Giorgios Untermieterin«,
stelle ich mich endlich selbst vor, während Giorgio eine winzige Tasse, gefüllt
mit einer kleinen Pfütze dampfenden Gebräus, vor mir abstellt.
»Ah, Giorgio hat eine Untermieterin ? Wie nett «, kommentiert die Signora.
»Ich bin Ilaria. Ich kann dir aber leider nicht so genau sagen, was
ich für Giorgio bin«, fährt sie dann mit einer Portion Ironie in ihrem Tonfall
dem sichtlich verdutzten Giorgio gegenüber fort. »Ich kann dir allerdings auch
nicht genau sagen, was du für mich bist«, wendet sie sich dann an ihn. Sie
nimmt einen genussvollen Bissen von dem cornetto, das
vor ihr auf einem Teller gelegen hat, und fährt
Weitere Kostenlose Bücher