Cappuccino fatale
gefährdet er damit ein wichtiges
Projekt der Contis, die Sache kann jederzeit rauskommen …«
Lidia rührt etwas Zitrone und Zucker in ihre Tasse. »Eigentlich ist
das Risiko für ihn nicht sehr groß«, resümiert sie dann. »Du bist in Mailand,
das ist weit weg. Ihr habt euch in Rom getroffen, das ist auch weit weg. Seine
Verlobte hätte nie davon erfahren. Bisher hat sie es ja auch nicht erfahren,
denke ich. Und die Contis auch nicht.« Sie nippt nachdenklich an ihrem Tee. »Es
sei denn, du setzt jetzt zur Rache an und haust ihn in die Pfanne.«
»Wofür? Davon hätte doch keiner was.« Ich muss wieder schlucken und
ringe um meine kippende Stimme. »Lidia, ich kannte Paolo nicht sehr gut,
wahrscheinlich kannte ich ihn überhaupt nicht. Aber dieser Mann hat mich wie
ein Blitzschlag getroffen, weißt du? Es hat sich alles so … so richtig mit ihm angefühlt. Vielleicht hätte ich etwas ahnen
müssen, nachdem er mich nach unserem Treffen in Rom so selten angerufen hat.
Habe ich aber nicht.« Weiter komme ich nicht. Ich stehe auf, reiße ein
Küchentuch von der Rolle am Waschbecken und putze mir geräuschvoll die Nase.
»Zugegeben«, sagt Lidia, als ich mich wieder zu ihr an den Tisch
setze, »er ist ein toller Mann. Das ist mir auch gleich aufgefallen.«
»Tja«, ich gucke in meine dampfende Tasse, »das nützt mir jetzt aber
nichts. Ich muss ihn wohl vergessen. Abhaken. Ende.« Hastig putze ich mir
wieder die Nase.
»Das fürchte ich auch. Es sieht ganz danach aus.« Lidia nimmt meine
Hände in ihre. »Nina, ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das tut. Ich
hatte mich so gefreut für dich. Gerade weil du neu in Italien und so aufgeblüht
bist in den letzten Wochen. Und, weil ich«, sie zögert einen Moment, »weil ich
mich so gerne mit dir zusammen über etwas Neues freuen wollte …«
Ich schaue sie fragend an. Etwas Neues?
»Worüber wolltest du dich denn mit mir freuen?«
»Na ja, dass es bei dir gut läuft und bei mir gut läuft.« Sie
druckst herum. »Du, vielleicht ist es gerade etwas unpassend, dass ich es dir
sage, aber ich bin wieder schwanger.«
Ich rutsche einen Stuhl weiter, sodass wir nun über Eck am Tisch
sitzen, und nehme sie in die Arme.
»Doch, Lidia, es ist sogar sehr passend, dass du mir das sagst. Ich
freue mich riesig mit dir.« Ich drücke sie an mich. Ja, sogar in meinem Kummer
kann ich sagen: Ich freue mich wirklich sehr für sie.
Lidia schnieft. »Hoffentlich geht alles gut«, seufzt sie und drückt
meine Schultern.
»Dieses Mal bestimmt, Lidia. Dein Körper weiß jetzt, wie’s geht.
Dieses Baby lässt er nicht mehr los.« Ich zwinkere ihr aufmunternd zu. Auch
wenn ich eigentlich keine Ahnung habe, wovon ich da gerade rede. Aber es klingt
gut.
»Ich wünschte, du hättest recht«, schnieft sie weiter.
»Bestimmt!«, versichere ich, »und darüber können wir uns jetzt
zusammen freuen.«
Zwei Tage später raffe ich mich wieder auf, in die Agentur
zu gehen. Entgegen meiner Laune ist das Wetter wunderbar: strahlend blauer
Frühlingshimmel und Sonnenschein vom Allerfeinsten. Würde man jetzt auf das
Dach des Mailänder Doms steigen, könnte man bestimmt spielend bis zu den Alpen
schauen. Dieses Wetter ist blanker Hohn in Anbetracht meiner zerschmetterten
Gemütslage.
Zu allem Übel sind Stefano und Simona sogar bereits körperlich
anwesend – ihre Arbeit haben sie hingegen noch nicht aufgenommen, als ich gegen
halb zehn ins Büro komme. Beide sitzen vor den noch ausgeschalteten Rechnern an
ihren Schreibtischen und diskutieren über die dunklen Monitore hinweg
irgendwelche Urlaubsanträge.
Als ich eintrete, verstummen sie und starren mich an.
»Guten Morgen.«
»Guten Morgen«, brumme ich zurück.
Stille. Schweigend beobachten sie mich dabei, wie ich meine Tasche
auf dem Tisch ablege, meinen Mantel aufhänge und meinen Rechner anschalte.
»Ist was?«, frage ich genervt.
»Wie geht es dir heute, liebe Nina?«, erkundigt sich Simona
übertrieben höflich.
»Gut, wieso?«, gebe ich knapp zurück und schaue mit
zusammengekniffenen Augen interessiert auf die sich drehenden Icons auf meinem
Monitor, als könnte ich bereits die Börsenkurse von heute Abend ablesen.
Hat Stefano ihr irgendetwas erzählt? War mein Verhalten letzten
Donnerstag doch so offensichtlich? Im schlimmsten Fall könnte er sogar einen
Zusammenhang zwischen Contis Hochzeitsbemerkung und meinem Verschwinden
erahnen. Manchmal sieht es so aus, als könnte sich mein Planner-Chef vielleicht
doch noch
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