Cappuccino fatale
zu einem echten Analysten aufschwingen. Nicht auszudenken!
Stefano räuspert sich. »Sag mal, Nina. Was war denn da am Donnerstag
los?«
Shit! Und die Fragerei auch noch vor Simona.
»Wieso?«
»Na ja, du bist so plötzlich abgehauen …« Stefano legt den Kopf
schief und kneift die Augen zusammen. »Und vor allem: Kaum warst du weg, ist
Paolo Rossi aus dem Raum gerannt. Ungefähr so, als wäre er auf der Flucht. Oder
auf einer Verfolgung «, fügt er zynisch hinzu.
Simona kann ihre Neugier kaum verbergen.
Mist, Mist, Mist! Paolo ist mir ja nachgefahren. Dass sein
Verschwinden noch eher aufgefallen sein könnte als meins, ist mir noch gar
nicht eingefallen. Nun müssen die Meetingteilnehmer tatsächlich nur noch eins
und eins zusammenzählen, um zu wissen, was läuft. Der Versuch, mich hier
rauszureden, käme wohl eher hilflos daher. Also schweige ich. Und zucke mit den
Schultern.
»Ich bin nach Hause gefahren, das Meeting war ja vorbei«, antworte
ich so selbstverständlich wie möglich.
»Ah, das Meeting war vorbei. Ach so ! «,
zieht Stefano mich auf und trommelt mit den Fingern auf den Tisch.
Simona mustert mich eindringlich. Ist das etwa Mitleid in ihrem
Blick? Haben die hier wirklich alle kapiert, was läuft? Ich klicke mein
E-Mail-Programm an und fixiere angespannt die eingegangenen Mails, ohne sie zu
lesen.
»Nina«, beginnt Stefano wieder, »kann ich dir helfen?«
Ich begegne seinem Blick und schaue in sein aufrichtig besorgtes,
freundliches Gesicht. Wieder spüre ich einen Kloß im Hals und würde mich jetzt
am liebsten in seine Arme werfen und trösten lassen.
Stattdessen schüttele ich nur den Kopf und lache auf. Es klingt drei
Nuancen bitterer als beabsichtigt.
»Nein«, sage ich, »vielen Dank.«
Die nächsten Tage verbringen wir alle drei außergewöhnlich
schweigend, jeder angespannt in seine Arbeit vertieft. Irgendwie kommen wir so
durch die Woche.
Als ich am Freitagabend erschöpft von der Arbeit nach Hause komme,
steht – angelehnt an den Salzstreuer – ein dicker Brief für mich auf dem
Küchentisch.
Auf dem Umschlag ist kein Absender. Doch auch wenn ich seine
Handschrift noch nie gesehen habe, weiß ich sofort, von wem das Schreiben ist.
Post von Paolo.
Mir läuft es eiskalt den Rücken herunter.
Ich widerstehe dem Drang, den Brief trotzig in tausend Stücke zu
reißen und ihn ungelesen in den Mülleimer zu werfen, wie sie es in den
Hollywood-Filmen immer tun.
Stattdessen öffne ich den Umschlag mit dem Käsemesser und zitternden
Fingern und ziehe einen in der Mitte gefalteten Bogen Papier hervor.
»Liebe Nina«, lese ich atemlos, »es gibt keine Worte, die
ausreichen, um auszudrücken, wie leid mir das tut, was letzte Woche passiert
ist. Es gibt aber auch keine Worte, die ausreichen, um zu beschreiben, wie
glücklich ich in den Tagen davor in Rom mit Dir war. Glücklich darüber, dass
wir uns getroffen haben.
Aber ich war auch voller Angst. Immerhin war meine Situation,
nachdem wir uns kennengelernt haben … sagen wir: nicht einfach.
Ich möchte Dir hier und jetzt in diesem Brief nur eines sagen: Ich
habe mich von Cristina getrennt. Ich werde sie nicht heiraten.
Stattdessen möchte ich Dir gerne meine Situation erklären. Ich
möchte Dir mein Leben vorstellen. Ich möchte Dir gerne alles über Paolo
erzählen.
Bitte gib mir noch eine Chance. Bitte komm zu mir.
P.«
Zwischen dem gefalteten Briefbogen steckt ein Flugticket
nach Neapel.
»Du willst da ernsthaft hinfliegen?« Giorgio legt die
Stirn in tiefe Falten und schlägt mit der zusammengerollten Sonntagszeitung auf
die Tischkante.
»Ich denke schon …« Ich rühre in meinen Haferflocken, quetsche wie
gewohnt eine halbe Banane hinein und gieße noch etwas Milch hinzu, wobei
Giorgio mich wie immer angewidert beobachtet.
»Lass sie doch«, ruft Ilaria vom Herd, die heute den Kaffee für uns
kocht. Es ist übrigens das erste Mal, seit ich bei Giorgio wohne, dass ich eine
Frau zweimal hintereinander zum Frühstück bei uns antreffe.
»Lass Nina sich doch ein paar schöne Tage mit diesem Mann machen«,
insistiert Ilaria und balanciert vorsichtig die noch gurgelnde caffettiera an den Tisch. »Was ist daran auszusetzen?«
»Ilaria!« Giorgio rollt mit den Augen. »Der Kerl hat nur mit ihr gespielt und jetzt möchte er gerne weiterspielen. Das ist
alles.« Er haut erneut mit der Zeitung auf den Tisch. »Nina, bitte fahr nicht
zu diesem Playboy. Ich kenne diese Kerle …«
»Diese Kerle kennst du so gut wie dich
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