Cappuccino fatale
Gepäck?«, reißt mich eine barsche Stimme aus den Gedanken.
Mein Blick streift eine Abbildung mit Messern, Pistolen und
entzündlichen Lacken, die mir die dunkelblau gekleidete Frau vom
Sicherheitspersonal vor die Nase hält. Ich schüttele den Kopf. »Nein, nichts
dergleichen«, gebe ich zurück.
Ich gehe durch die Magnetschranke, die so aufgeregt fiept, als hätte
ich ein ganzes Juweliergeschäft geplündert. Eine resolute Dame mit Handschuhen
tastet mich grob am gesamten Körper ab und ich ernte die Mahnung, sie werde den
Bundesgrenzschutz rufen, wenn ich weiterhin unter ihren Händen zurückzucke. Ich
gebe mich also geduldig ihren Fingerspielen hin und frage mich, warum sich
Millionen Flugreisende Tag für Tag so anfassen lassen müssen.
Im Flieger habe ich einen Platz in der ersten Klasse. Keine Frage:
Paolo will offenbar ein Zeichen setzen. Kein Zeichen, das Giorgio sonderlich
beeindruckt hätte (»Sei vorsichtig, bella, das lässt
der Kerl sich alles in Naturalien zurückzahlen«), aber ich fühle mich
geschmeichelt und betrachte das als Teil seiner Wiedergutmachungsgeste. Oder
zumindest als den Versuch dazu.
Zu meiner Genugtuung wird bald wenige Reihen hinter mir der kleine Röckchenvorhang
zugezogen, der mich vom Pöbel in der Holzklasse trennt. Dann bekomme ich ein
paar Snacks und Getränke gereicht. Ich schlürfe meinen Tomatensaft und denke an
Paolo.
Die Woche über habe ich seine Mails und SMS praktisch nicht beantwortet. Was wir zu bereden haben, sollten wir von
Angesicht zu Angesicht klären. Mir war nicht danach, die Situation mit
Smalltalk via PC oder Telefon zu verwässern, auch
wenn ich mich nach seiner Stimme gesehnt habe wie eine ausgetrocknete Primel
nach einem Schluck Wasser. Anzurufen hätte es ihm erst recht leicht gemacht.
Fand Giorgio zumindest. Also habe ich es gelassen.
Knapp eine Stunde später setzt der Pilot zur Landung auf
Neapel an. Mein Magen spielt verrückt. Ich bin so aufgeregt, dass ich Angst
habe, von einer der weißen Tüten Gebrauch machen zu müssen, die griffbereit vor
mir in der Sitztasche stecken. Als sich die ersten Passagiere erheben und eilig
ihre Handys einschalten, als wären sie monatelang verschollen gewesen, drücke
ich mich in meinen Sitz und wünschte, der Pilot würde durchgeben, dass wir
erneut durchstarten und zurückfliegen müssen.
Aber nichts dergleichen passiert. Während sich die Maschine leert,
stehe ich langsam auf und trotte hinter der Menschenreihe her in Richtung
Ausgang. Da ich nur Handgepäck dabeihabe, gehe ich am Gepäckband vorbei und
trete durch die Schwingtür in die mir bekannte Flughafenhalle.
Paolo ist das Erste, was ich sehe.
Er steht mit all den anderen Wartenden, Taxifahrern und Reiseführern
ein paar Meter abseits in einer Art Halbkreis in der Halle. Trotzdem fällt er
mir ins Auge, als wäre ein Lichtspot auf ihn gerichtet. Mein Magen dreht sich
mir erneut um.
Auch Paolo hat mich sofort gesehen und kommt langsam auf mich zu.
»Ciao, wie geht’s?«, begrüßt er mich schlicht und schaut mich unsicher lächelnd
von oben bis unten an, als müsste er prüfen, ob ich auch am Stück angereist
bin.
»Hallo«, gebe ich matt zurück und starre ihn an, als käme er vom
Mars. Ich kann den Blick nicht von ihm lassen. Ihn so zu sehen, ohne ihn
anzufassen, tut mir bis in die letzte Körperzelle weh. Alle Ruhe und sämtliche
Lässigkeitsparolen Giorgios fließen von mir weg wie Lava aus dem Vesuv.
Auch Paolo ist sichtlich nervös.
Die Sekunden vergehen, in denen wir uns schüchtern weiter mustern.
Dann streckt er die Hand nach mir aus und greift nach einer Haarsträhne, die
mir wirr vom Kopf abgestanden haben muss. Er fährt sie entlang bis zu meiner
Schulter, wo er seine Hand liegen lässt. Dann fasst er mit der anderen Hand
nach mir und zieht mich zu sich heran.
Endlich!
Ich sinke an seine Brust, als wären wir Magneten. Giorgio würde
schimpfen wie ein Rohrspatz, wenn er mich so sehen könnte.
Irgendwann lösen wir uns wieder voneinander.
»Komm, lass uns gehen«, sagt Paolo ruhig.
Er nimmt mir meine Tasche ab und greift nach mir. Hand in Hand gehen
wir über den Flughafen zum Parkplatz, wo sein Wagen steht.
Bereits nach wenigen Metern Fahrt stecken wir im völlig außer Rand
und Band geratenen Feierabendverkehr fest. Um uns herum ist die Hölle los:
Autos schieben sich Zentimeter für Zentimeter voran und das Hupen der
umliegenden Wagen wird zum Dauerrauschen. Paolo lehnt sich entspannt in seinem
Sitz zurück, eine Hand am
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