Cappuccino fatale
hat, krampft sich mir immer noch
alles zusammen.
»Ich habe viel Vertrauen um mich herum zerstört«, redet Paolo weiter
und drückt meine Hand. »Nina«, sagt er dann mit einem fast flehenden Unterton
in der Stimme und beugt sich noch weiter über die Tischecke zu mir, »meinst du,
wir können noch mal starten? Meinst du, du könntest die Reset-Taste für mich
drücken?«
Ich lächele ihn an und genehmige mir noch einen Schluck Champagner.
»Ich werde darüber nachdenken«, antworte ich.
»Dürfte ich mal kurz nachhelfen?«, fragt Paolo und beugt sich zu mir
herüber.
Über einen derart erschlichenen Kuss würde Giorgio sich jetzt sicher
fürchterlich aufregen. Ich finde es auch aufregend und darüber hinaus absolut
hilfreich für meine Entscheidungsfindung.
Während wir uns wieder voneinander lösen, habe ich plötzlich das
Gefühl, beobachtet zu werden. Ich drehe mich um.
In der Tat.
Auf der anderen Seite des Lokals stehen drei Herren wie angewurzelt
im Raum und starren zu uns herüber: Conti Senior in Begleitung eines weiteren
eleganten Herrn älteren Semesters und mein Oberboss Luigi Monetti.
Mir zieht sich vor Schreck alles zusammen.
Was macht mein Chef zusammen mit diesem Kunden hier?
»Hör mal, Nina, und morgen könnten wir …«, höre ich Paolo von ferne,
der gerade damit beschäftigt war, unsere Gläser nachzufüllen. Dann stockt er
und folgt meinem perplex hin- und herwandernden Blick von ihm zu den Herren und
wieder zurück. Ich spüre förmlich, wie Paolo erstarrt. »Cazz …«, setzt er leise zu dem bösen Schimpfwort an.
Conti und sein Begleiter auf der anderen Seite des Lokals scheinen
ebenfalls erstarrt zu sein. Ich sehe den aufgeregten Blick, mit dem der
Firmeninhaber auf den mir unbekannten Herrn einredet. Dieser schaut nach wie
vor wie zur Salzsäule erstarrt zu uns herüber. Daneben der irritierte Luigi,
der sich dann sichtlich einen Ruck gibt und auf uns zukommt.
»Guten Abend, Nina«, begrüßt er mich nonchalant. »Was machst du denn
hier?« Seine Stimme klingt absolut neutral.
»Wir essen hier zu Abend«, pariere ich sachlich.
»Herr Rossi …« Luigi wendet sich Paolo zu und reicht ihm die Hand.
Paolo erhebt sich zum Gruß.
Inzwischen sind die anderen beiden Herren näher gekommen. Conti
Senior beäugt mich argwöhnisch.
»Guten Abend, Signor Conti«, grüße ich artig.
Er nickt sowohl mir als auch Paolo zu, ohne eine Miene zu verziehen.
Dann legt er die Hand auf Luigis Oberarm und bedeutet ihm, zur anderen Seite
des Lokals zurückzugehen, wo bereits ein Kellner an einem Tisch in der Ecke
steht und den Herren die Stühle zurechtrücken will.
Der dritte Herr im Bunde, eine distinguierte, respekteinflößende
Erscheinung, bleibt unterdessen wortlos und demonstriert seine beeindruckende
Präsenz durch schlichte Anwesenheit. Zweifellos kennt er Paolo und bedenkt ihn
mit einem Blick, der mich frösteln lässt. Dann wendet er sich grußlos ab und
folgt Conti und Luigi, die im Begriff sind, an ihrem Tisch Platz zu nehmen.
Paolo und ich schauen uns an.
»Was zum Teufel machen die hier?«, sage ich, denn ich habe mich als
Erste gesammelt. Wie verdammt klein ist diese Welt eigentlich? Was Zufälle
betrifft, bevorzuge ich eher einen Sechser im Lotto.
»Ich habe keine Ahnung.« Paolos Antwort klingt wie ein Fluchen.
»Wie kann es sein«, ich stütze fassungslos die Stirn in die Hand,
»dass mein Agenturchef an einem Freitagabend beim Kunden aufschlägt und ich
davon überhaupt nichts weiß? Wir arbeiten doch
zusammen.«
»Das hier ist wohl echte Chefsache«, gibt Paolo zurück und fährt
sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Ich wusste von diesem Treffen nämlich
auch nichts. Ich vermute, selbst Sergio ist nicht informiert, denn er hätte mir
davon ganz sicher erzählt. Vor allem«, fährt er fort, »weißt du noch nicht, wer
die dritte Person im Bunde ist.«
Ich schaue ihn neugierig an.
»Salvatore Pienzo. Unser Großhändler, Conti seniors bester Freund
seit ungefähr hundertfünfzig Jahren und, ganz nebenbei, Cristinas Vater.«
»Der Vater deiner Ex?«, platze ich lauter heraus, als ich wollte,
und zucke zusammen.
Unwillkürlich drehe ich mich um. Das Lokal ist so gut gefüllt, dass
die drei Herren uns auf keinen Fall hören können. Conti senior hat ebenfalls
den Kopf gedreht und schaut in unsere Richtung. Er mustert mich ruhig und
regungslos und wendet sich dann langsam wieder den Männern an seinem Tisch zu,
die in eine angeregte Unterhaltung vertieft zu sein
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