Cappuccino fatale
Wölkchen davon abgehalten, allzu aufdringlich zu
werden.
» Eccoci qua . Da sind wir«, höre ich ihn kurz
darauf von vorne rufen.
Wir stehen in einer kleinen Seitenstraße vor einem modernen, hellen
Backsteingebäude, das ringsum von üppig bepflanzten Balkons umgeben ist.
Ich bezahle, trete vor das Eingangstor des Gebäudes und drücke den
Klingelknopf mit der Aufschrift »Interno 6«, wie
Paolo es mir gesagt hat. Ich sehe, dass höchstens die Hälfte der Hausbewohner
ihren Namen an die Türschilder haben schreiben lassen. Aus Sicherheitsgründen,
vermute ich.
Der Türsummer ertönt und ich betrete den Innenhof. Im Hauseingang
nehme ich die Treppe in den zweiten Stock.
In der Wohnungstür steht Paolo.
Er trägt Jeans und ein eng anliegendes Poloshirt und hat sich ein
Küchenhandtuch lässig über die Schulter geschwungen.
»Guten Morgen, meine Liebe«, begrüßt er mich, drückt mich kurz an
sich und gibt den Türrahmen frei, um mich eintreten zu lassen.
Die Wohnungstür führt direkt in ein geräumiges Wohnzimmer mit einer
großen Fensterfront. Blickt man durch die Bäume am Rande des Grundstücks
hindurch, kann man das Meer erahnen.
Der Esstisch im Wohnzimmer ist perfekt gedeckt mit Brötchen in allen
Varianten, Fruchtsaft, Käse, Wurst und verschiedenen Gläsern mit Marmelade und
Honig.
»Mit dem Frühstück hast du aber nicht zu viel versprochen«, lobe ich
Paolo, »ich fühle mich wie zu Hause.«
»Das sollst du auch«, gibt er fröhlich zurück und marschiert in die
anliegende Küche.
Ich folge ihm, schwinge mich auf die Küchenanrichte und gucke ihm
zu, wie er umständlich Spiegeleier brät, deren Zubereitungsart er mehreren aus
dem Internet ausgedruckten Rezeptseiten entnimmt. Ich bin gerührt.
»Du hast ja wirklich an alles gedacht.« Ich beuge mich zu ihm
hinüber, stibitze ein paar Blätter Petersilie, die er gerade hackt, und stecke
sie mir in den Mund.
»Ich muss dich doch beeindrucken«, antwortet er und legt das
Schneidemesser auf das Brett. »Ich habe viel wiedergutzumachen, ob da wohl ein
Frühstück ausreicht?«
»Zumindest ist ein Frühstück ein guter Anfang dafür«, meine ich.
Paolo kommt auf mich zu und nimmt meine Knie in seine Hände. Ich
nehme ihm das Handtuch von der Schulter und ziehe damit seinen Kopf zu mir
heran. Endlich küssen wir uns. Unendlich lange. Schließlich schiebt er sich
zwischen meine Beine, packt mich an den Hüften und trägt mich eng umschlungen
aus der Küche.
Ins Schlafzimmer.
Hinterher liegen wir aneinandergekuschelt in seinem
riesigen Bett, gucken aus dem Fenster Richtung Meer und futtern eine Tafel
Schokolade, die wir in seinem Nachttisch gefunden haben. Der Frühstückstisch
ist einfach zu weit weg.
Ich blicke mich im Schlafzimmer um und versuche Spuren der Frau
ausfindig zu machen, die bis vor Kurzem noch hier gewohnt haben mag. Ich kann
jedoch nichts entdecken. Keine Fotos, keine Schleifen oder Blümchen, die auf
die Hand einer Frau hinweisen würden.
»Seit wann wohnst du hier?«, möchte ich wissen.
»In dieser Wohnung?« Er rechnet nach. »Seit ungefähr acht Jahren.
Als Conti mich zum Vertriebschef gemacht hat, ist mir auch der Sprung in die
bessere Wohngegend gelungen«, erklärt er nicht ohne Stolz.
»Und vorher?«
»Wann vorher?«
»Ganz vorher. Wo hast du früher gelebt? Wo wohnen deine Eltern?«
»Uff«, er stockt, »daran mag ich kaum denken.« Er richtet sich auf
und windet sich. Schließlich greift er erneut in den Nachttisch und holt ein
Päckchen Zigaretten hervor.
»Darf ich?«
»Du rauchst?«
»Nur, wenn ich nervös bin.«
»Warum bist du nervös?«
»Ich mag nicht an meine Kindheit denken.«
Ich nehme ihm die Packung sanft aus den Fingern, lasse meine Hand
über den Matratzenrand baumeln und schleudere die Zigaretten unters Bett.
»Musst du ja nicht«, sage ich, »ich habe bloß gefragt, wo du vorher
gewohnt hast.«
»Ich will dir aber von mir erzählen«, erwidert er, »du sollst alles
wissen. Keine Geheimniskrämereien mehr, das hat nur geschadet.«
Ich male mit den Fingern imaginäre Kringel auf seine Brust und warte
ab. Eine Zeit lang schweigen wir beide und hängen unseren Gedanken nach.
»In Santa Maria Capua Vetere.«
»Bitte?«
»Dort bin ich groß geworden. Ein Vorort von hier.« Er räuspert sich.
»Nina, wenn du die Gassen im Zentrum von Neapel trostlos findest, hast du das
Umland noch nicht gesehen.«
Er greift über mich rüber, nimmt sich noch einen Riegel Schokolade
aus der Packung, die
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