Carina - sTdH 3
um Sir Edwin sah die Gesellschaft vom Pfarrhaus. Der Vikar ging
auf sie zu.
Carina nahm
ihren Platz neben Lord Harry ein und starrte geradeaus. Ihr Vater sagte etwas
zu Sir Edwin, und Sir Edwin machte eine Handbewegung, um auf die Anwesenheit
von Mr. Wentwater hinzuweisen. Der kleine Vikar warf sich in die Brust und maß
Mr. Wentwater mit seinen Knopfaugen von Kopf bis Fuß, dann drehte er sich auf
dem Absatz um, ohne die ausgestreckte Hand zu beachten, und ging zu seiner
Kutsche zurück.
»O Gott«,
murmelte Lord Harry. »Er hat ihn ganz offen geschnitten.«
»Fahren Sie
zu, Mylord«, sagte Carina heiser.
Wie konnte
er nur, dachte sie schmerzerfüllt. Was tat Guy nur, er war gesund und munter
und machte dieser schrecklichen Emily den Hof.
Ihre
Gedanken wühlten sie auf und schmerzten sie auf dem ganzen Weg zum Pfarrhaus.
Von Zeit zu Zeit versuchte Lord Harry ein paar Worte an sie zu richten, aber
Carina war taub gegen alles außer gegen die Stimmen, die in ihrem Kopf keine
Ruhe gaben.
Sie sagte
Lord Harry kurz angebunden gute Nacht und verschwand in ihrem Zimmer.
Als Daphne
hereinkam, lag Carina immer noch angezogen auf ihrem Bett und starrte blicklos
zum Betthimmel hinauf.
»Wir haben
unten gesessen und stundenlang geredet«, sagte Daphne schläfrig. »Ich wollte
dich holen, aber Papa hat mir geraten, dich in Ruhe zu lassen, was sehr seltsam
ist, denn er hat dich ja in den letzten Tagen ständig mit Lord Harry
zusammengebracht.«
Carina
drehte den Kopf und schaute auf die Uhr auf dem Kaminsims. Mitternacht! Und
sie war um zehn Uhr zu Hause gewesen. So vertieft
war sie gewesen, einen Ausweg aus ihrer Erniedrigung zu suchen, daß sie nicht
gemerkt hatte, wie die Zeit verging. »Geht es dir besser?« fragte Daphne
fürsorglich.
Carina
nickte.
»Papa ist
zornig«, fuhr Daphne fort und setzte sich an den Toilettentisch, der mit einer
Rüschenkante geschmückt war, und nahm eine Haarbürste in die Hand. »Er sagt,
daß Wentwater ein gemeiner Abenteurer ist und daß kein Mann sich zu Emily hingezogen
fühlen kann, es sei denn er hätte finanzielle Motive.«
»Das ist
großartig«, sagte Carina und drehte sich zu ihr herum. »Wann hat Heirat für
Papa je etwas anderes bedeutet als mehr Geld für seine stinkenden Hunde?«
Daphne war
jetzt in ihr hübsches Spiegelbild vertieft. Sie entdeckte einen Mitesser und
lehnte sich nach vorne. Dabei hielt sie die Kerze so nah an ihr Gesicht, daß
ihre dunklen Haare beinahe Feuer fingen.
Carina lag
da und überlegte und überlegte. Schließlich erschien Daphne auf der anderen
Seite des Bettes und bat Carina zu rücken, damit sie unter die Decke schlüpfen
konnte.
Wie ein
Stehaufmännchen sprang Carina plötzlich auf und ging zu ihrem Lieblingsplatz am
Fenster; sie schaute hinaus. Die gleichmäßigen Atemzüge ihrer Schwester sagten
ihr, daß Daphne sofort eingeschlafen war.
Urplötzlich
war Carina sich ganz sicher, daß Guy sie rief. Sie hörte seine Stimme in ihrem
Kopf.
Der Schmerz
in ihrem Herzen ließ nach. Diese wunderbare Vereinigung ihrer Seelen war eine
unglaublich schöne Sache. Er schien ihr zu sagen, daß er nicht hatte
fortkönnen, aber sich Sir Edwins Gesellschaft angeschlossen hatte in der
Hoffnung, sie zu sehen.
Mit
einemmal wußte Carina, daß sie zu ihm gehen mußte.
Fünftes
Kapitel
Squire
Radford konnte
keinen Schlaf finden. Ein besonders schmerzhafter Rheumaanfall hatte sein
linkes Bein befallen. Schließlich gab er den Kampf auf und stieg aus dem Bett;
er hüllte sich in einen dicken Mantel und legte sich eine Decke über die
Schultern. Er mußte im Garten ein bißchen frische Luft schnappen.
Er
schlurfte in seinen Hauspantoffeln über den Rasen und blieb an der hohen Hecke
stehen. Durch einen kleinen Spalt schaute er hindurch, dahin, wo das Mondlicht
den Dorfteich in eine Silberfläche verwandelt hatte.
In diesem
Moment sahen seine scharfen alten Augen ein Mädchen, das zwei Hutschachteln
trug, rasch die Straße auf der gegenüberliegenden Seite des Teiches
entlanggehen. Er beobachtete sie, bis sie verschwunden war, und fragte sich,
wer in aller Welt es sein könnte, der da mitten in der Nacht unterwegs war.
Carina ging
und lief abwechselnd zu Lady Wentwaters Haus.
Sie
überquerte den Blyne auf der Bogenbrücke. Das Flüßchen plätscherte unter ihr,
unaufhörlich und rastlos wie ihre Gedanken.
Sie hatte
jetzt das Gefühl, daß sie nicht wirklich zu Guy Wentwater gestanden hatte. Ein
Gentleman wie er sagte doch nicht, daß er sie liebte,
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