Carina - sTdH 3
in
einen Schluchzer überging. »Sieh nur, wie müde ich bin! Ich weine schon ohne
den geringsten Grund!«
Guy
Wentwater drehte
sich unruhig beim Versuch einzuschlafen. Aber trotz der Brandymengen, die er
getrunken hatte, mied ihn der Schlaf hartnäckig.
Seine
Freude über die Demütigung von Carina Armitage hatte einen bitteren
Beigeschmack, aber er wollte es sich nicht eingestehen, daß er sich gewaltig
vor Hochwürden Charles Armitage fürchtete.
Schließlich
war er schon einmal unrühmlich von den Hunden des Vikars aus der Grafschaft
gehetzt worden. Und da war auch noch dieser Kerl, der versucht hatte,
Annabelles Ehe auseinanderzubringen. Er hatte davon erzählen hören. Der Vikar
hatte ihn aus der Kirche gepeitscht, und die Dorfjugend hatte ihn ausgezogen
und in den Teich geworfen.
Vielleicht
war es das Gescheiteste, darüber zu schweigen, außer eventuell Silas Dubois
gegenüber, dem die Geschichte sicher gefiel. Er würde die Kleinigkeit
weglassen, wie sich Carina den Weg vor drei ausgewachsenen Männern freigekämpft
hatte. Das beste war, zu erzählen, daß sie unter Tränen gegangen sei.
Benjie
Rowse und Bill Wilson würden sich am Morgen nicht mehr an den Namen des
Mädchens erinnern. Er würde sowieso dafür sorgen, daß sie ihren Mund hielten.
Aber diese Hutschachteln!
Man sollte sie verbrennen. Nein, lieber nicht. Er mußte abwarten, was geschah.
Wenn Carina
nichts sagte, war er in Sicherheit.
Er hätte
eine Rache planen sollen, von der der Vikar nie erfahren hätte. Es konnte jeden
Moment geschehen, daß Mr. Armitage die Straße heraufgeritten kam mit seiner
entsetzlichen Hundemeute, die ihm heulend vorauslief.
Da öffnete
sich die Tür zu seinem Zimmer, und eine hochgewachsene Gestalt kam herein.
»Wer da?«
rief Guy und richtete sich aus den Kissen auf. »Desire«, sagte eine höfliche,
umgängliche Stimme.
Guy fluchte
leise und entzündete die Kerze neben dem Bett. Lord Harry Desire kam näher und
setzte sich geschickt ans Bettende.
»Wie sind
Sie hereingekommen?« platzte Guy heraus. »Ich habe alle Türen und Fenster
verschlossen.«
»Ich habe
einen Dietrich benutzt«, sagte Lord Harry freundlich. »Warum?«
»Um Sie zu
besuchen, mein Freund.«
Guy
streckte seine Hand nach der Klingelschnur aus, die neben dem Bett hing. Mit
einer geschickten Handbewegung hob Lord Harry seinen Stock und schlug Guy über
das Handgelenk – ein starker, schmerzhafter Schlag.
»Na, na«,
sagte Lord Harry besänftigend, als Guy fluchte und sich das Handgelenk rieb.
»Wir wollen doch nicht das ganze Haus aufwecken, oder?«
»Was wollen
Sie?« fragte Guy.
»Ich möchte
Bescheid über einen Besuch wissen, den Miss Carina Armitage heute nacht diesem
Haus abgestattet hat.«
»Der kleine
Rotkopf!« spöttelte Guy. »Ich bin ihr nicht begegnet.«
Lord Harrys
Faust schlug blitzschnell zu und traf Guy voll auf den Mund.
Er schrie
gellend vor Schmerz auf und versuchte aus dem Bett zu springen, woran ihn zwei
kräftige Hände hinderten, die ihn an den Schultern festhielten.
Lord Harrys
Gesicht sah so schön und sympathisch wie immer aus. Guy blickte wild um sich und
suchte nach einem anderen Angreifer, denn dieser elegante Lord, der ihn so
entwaffnend anlächelte, hatte ihm unmöglich solch einen kräftigen Schlag versetzt.
Carina
hatte also nicht geredet. Und dieser Idiot war in sie verliebt.
»Also gut«,
sagte Guy, lehnte sich in die Kissen zurück und versuchte, eine weltmännische
Miene aufzusetzen. »Ich hätte es Ihnen gesagt, aber ich wollte den guten Namen
des Mädchens nicht aufs Spiel setzen. Sie hat sich eingebildet, daß ich mit ihr
durchbrennen soll, weil sie nicht dazu gezwungen werden wollte, Sie zu
heiraten.«
Er
beobachtete Lord Harry schnell und genau, ob dieser irgendwelche Anzeichen zu
erkennen gab, daß er gekränkt war, aber Lord Harry lächelte freundlich auf ihn
herunter und bat ihn, weiterzusprechen.
»Sie hat
gesagt, daß sie mich liebt und um zwei Uhr an der Kreuzung auf mich warten
will«, sagte Guy. »Nach dem Gartenfest hat sie mich hier besucht. Ich hörte
meine Tante zurückkommen, und um Carinas Ruf bangend, habe ich nur ›Ja,
ja‹ gesagt und sie aus der Gartentür hinausgeschoben. Ich habe gedacht, wenn
sie nichts mehr von mir hört, ist die Sache zu Ende. Aber die dumme Pute ...«,
Lord Harrys Hand bewegte sich, und Guy verbesserte sich schnell, »... ich meine,
Miss Carina erschien mitten in der Nacht mit diesen verdammten Hutschachteln
und begann zu bittenund
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